0491 - Ein Toter läuft um sein Leben
Hatten die Gangster Tom dazu gezwungen, die Zeilen zu schreiben, um auch sie, Lucille Raggard, entführen zu können?
Nein, das hielt Lucille für unwahrscheinlich. Sie erhob sich und ging ins Schlafzimmer, um die Kostümjacke anzuziehen. Die Karte von Tom Blight ließ sie in der Küche zurück, für alle Fälle. Lucilles Mutter war unterwegs, um etwas einzukaufen. Wenn ich nicht rechtzeitig zurückkommen sollte, wird sie wissen, was geschehen ist, folgerte Lucille. Sie wird dann zur Polizei gehen, und die Beamten können sofort die Fahndung aufnehmen.
Lucille schaute sich um, als sie auf der Straße stand. Sie entdeckte niemanden, der verdächtig aussah. Ein leeres Taxi kam die Straße entlang gerollt. Lucille hob die Hand. Der Wagen hielt.
Fünf Minuten später entlohnte sie den Taxifahrer. Sie betrat Jeffreys Teestube. Der Name war etwas irreführend. Es handelte sich um ein supermodernes Schnellrestaurant, dem eine im altenglischen Stil eingerichtete Bar angegliedert war. Tom Blight saß in der Bar. Er war um diese Zeit der einzige Gast. Er stand auf, als Lucille auf ihn zueilte. Lucille warf sich an Blights Brust. Er schloß die Arme um sie und strich ihr beruhigend über das blonde Haar. »Ist dir jemand gefolgt?«
»Ich glaube nicht«, sagte Lucille. Zitternd löste sie sich aus seinen Armen. Sie schaute ihm in die Augen. »Warum bist du nicht zu mir gekommen? Warum hast du nicht das FBI verständigt?«
»Ich hatte Angst, mich in der Brickstone Road sehen zu lassen«, erwiderte er und schielte zum Eingang hinüber. Ein korpulenter Mann durchquerte das Lokal. Einen Moment sah es so aus, als wollte er die Bar betreten, aber dann entschloß er sich, in dem Restaurant Platz zu nehmen.
»Kennst du den?« fragte Tom mißtrauisch.
Lucille warf einen Blick über die Schulter. »Den Dicken? Nein! Er stammt nicht aus unserer Gegend. Was ist geschehen, Tom? Bist du auf der Flucht?«
»Setzen wir uns«-, sagte Tom. »Ich habe dir viel zu erzählen.« Er nahm einen Schluck aus dem Glas. Er hatte dunkle Schatten unter den Augen und machte einen erschöpften Eindruck. »Hältst du mich für einen Mörder, Lucille?«
»Nein!«
»Die Wahrheit ist, daß ich mich in den Besitz von Westons Geld setzen wollte«, sagte er und senkte den Kopf. »Egal wie! Ich glaubte, ein Recht darauf zu haben, mit dir wenigstens zwei sorglose, glückliche Jahre verleben zu dürfen. Deshalb wurde ich zum Verbrecher. Ich habe Weston nicht getötet, aber ich habe ihm das Geld gestohlen. Leider habe ich es zu dumm angestellt, so daß ich es alles wieder verloren habe. Wenn schon! Ich konnte wenigstens mein Leben retten, wenn auch nur für zwei Jahre…«
Seine Augen wurden plötzlich feucht. Mit einem Ruck hob er das Kinn. Sein Blick ging an Lucille vorbei ins Leere. »Weißt du, wie einem zumute ist, wenn man erfährt, daß man nur noch zwei Jahre zu leben hat? Daß man praktisch schon tot ist? Ich bin unheilbar krank, Lucille! Es wäre meine Pflicht gewesen, dir die Wahrheit zu sagen, aber ich hatte Angst dich zu verlieren. Ich wollte dem Leben noch ein bißchen Glück abtrotzen, aber der Weg zum Glück führt nicht durch die Hintertür, das habe ich inzwischen begriffen.«
Lucille legte impulsiv die Hände auf Blights Unterarm. »Du hättest mir deinen Zustand nicht verschweigen dürfen! Ich hätte dich getröstet, Tom. Die Medizin kennt keinen Stillstand, die Forschung sucht und findet immer neue und bessere Heilmethoden. Vielleicht entdecken sie schon morgen oder übermorgen das Heilmittel, das dir hilft!«
Seine Mundwinkel zuckten. »Vielleicht«, sagte er. »Seltsamerweise fürchte ich die Krankheit weniger als den Gedanken, dich zu verlieren!«
»Ich bleibe bei dir, Tom!«
Er schluckte. »Nach allem, was geschehen ist?«
»Danach fragt die Liebe nicht.«
Er schloß die Augen. »Ich kann es nicht fassen.«
»Wo ist das Geld?« fragte Lucille.
Die Frage brachte Blight zurück in die Wirklichkeit. »Ich mußte ihnen das Versteck verraten. Bestimmt haben sie es schon längst kassiert.«
»Konntest du fliehen?«
»Nein. Ein Mädchen hat mich befreit.«
»Ein Mädchen?«
Blight nickte. »Du kennst sie. Es ist Myrna Weston.«
»Demnach bist du von Patricks Leuten entführt worden? Du warst in seinem Hause?«
»Sie hielten mich dort in einem Kellerraum gefangen. Es waren keine sehr angenehmen Stunden, das darfst du mir glauben. Siehst du meine aufgesprungene Lippe? Das ist eine kleine Erinnerung daran. Sie wollten mich
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