0494 - Fenrirs Wacht
Voodoo-Hexe, nicht wahr? Die Akte hat er auch angefordert und eine Informationssperre verhängen lassen.«
»Wie geht so etwas überhaupt? Selbst jemand von Interpol kann doch nicht einfach…«
»Fragen Sie mich was Leichteres«, erwiderte Robin. »Ich kann Ihnen nur wünschen, daß Sie heil aus der Sache herauskommen. Werde ich befragt, werde ich für Sie aussagen. Aber, verdammt, ich weiß nicht, worum es wirklich geht. Haben Sie sich in anderen Ländern etwas zuschulden kommen lassen?«
»Da gibt es auch allenfalls solche ungelösten Fälle«, sagte Zamorra.
»Ich bin auf Ihrer Seite, doch ich werde nicht viel für Sie tun können«, sagte Robin. »Aber vielleicht können Sie etwas für mich tun. Was diese Wolf-Geschichte angeht: Könnte es nicht tatsächlich ein Werwolf sein?«
»Es gibt ein ganz einfaches Mittel, das herauszufinden«, sagte Zamorra. »Ich muß die Leiche sehen. Ich muß sie auf meine Weise untersuchen. Dann kann ich Ihnen definitiv sagen, ob es ein Fall für mich ist. Außerdem kann ich vermutlich herausfinden, was in der Nacht wirklich passiert ist. Nur werden Sie das nicht in Ihre Akten schreiben können, weil es Ihnen niemand glauben wird.«
»Schon wieder so ein verdammter Fall. Schön, Zamorra, in Ihrem eigenen Interesse sollten Sie unter diesen Umständen vielleicht besser die Finger davon lassen.«
Zamorra lächelte dünn. »Wenn es mir immer nur um meine persönliche Sicherheit ginge«, erwiderte er, »hätte ich wahrscheinlich längt mit der Dämonenjagd auf gehört und mich zur Ruhe gesetzt. Ich will, daß Menschen ruhig leben können. Ich will die Schwarze Familie in ihre Schranken weisen. Mir ist klar, daß es eine Hydra ist, der für jeden abgeschlagenen Kopf zwei neue nachwachsen. Aber jemand muß sich diesen Mächten entgegenstellen, und ich tue es, weil ich dafür die besten Voraussetzungen mitbringe.«
»Das klingt ziemlich theatralisch, finden Sie nicht?« meinte Robin.
Sie hatten mittlerweile die große Glastür erreicht, das Portal, das einen der ganz wenigen Stilbrüche im Schloß darstellte. Zamorra schob die Tür auf. »Treten Sie ein, Monsieur.«
Robin nickte. »Einmal so wohnen«, murmelte er. »Aber mit meinem dürren Beamtengehalt werde ich das wohl nie schaffen. Mich packt der Neid, Zamorra. Vielleicht hat Ihren Gegner auch nur der Neid gepackt? - Vorhin sagten Sie was von einem glühendheißen Kaffee. Gibt’s den hier auch?«
»Sicher«, erwiderte der Parapsychologe.
Robin wandte sich eher zufällig um und sah zur Umfassungsmauer, die mit Dämonenbannern und komplizierten Schutzzeichen versehen war, die die weißmagische, für alle Damänonen absolut undurchdringliche Schutzkuppel über dem Château erzeugten. Auch daß das Tor in der Mauer geöffnet und die Zugbrücke über den alten Schutzgraben heruntergelassen war, der vermutlich der Hanglage des Châteaus wegen niemals mit Wasser gefüllt gewesen sein konnte, änderte nichts an der Wirksamkeit der Schutzglocke.
Robin erstarrte förmlich.
»Verdammt«, murmelte er.
Zamorra und Nicole sahen ebenfalls zum Tor. Dort war ein großer grauer Wolf aufgetaucht, der still unter dem Torbogen verharrte.
Robins Hand flog unter die Jacke und kam mit der Dienstwaffe wieder zum Vorschein.
***
Nicht weit entfernt heulte ein Wolf, aber es war nicht Fenrirs »Stimme«. Der Wolfsruf, der nur kurz zu hören war, klang heiserer, wilder. Naomi Varese erschauerte. Der Wolf, den sie gestern abend gesehen hatte, mußte sich noch in unmittelbarer Nähe befinden.
Sie ängstigte sich nicht nur um sich selbst. Sie sorgte sich auch um Fenrir. Wenn er mit einem wilden Wolf zusammentraf, was würde geschehen? Fenrir war ein Einzelgänger. Würden seine wölfischen Instinkte überhand nehmen und er den Kampf suchen, um den Rivalen aus »seinem« Jagdrevier zu vertreiben? Und würde er sich bei einem Kampf behaupten können? Er war alt, und er war an ein relativ ruhiges Leben gewöhnt. Er brauchte nicht jeden Tag um sein Leben zu kämpfen. Mußte er nicht jedem anderen, wilden Raubtier hoffnungslos unterlegen sein, weil er das Kämpfen verlernt hatte?
Wo war Fenrir in der Nacht gewesen? Und wohin hatte er sich jetzt gewandt? Vielleicht hatte er sich aufgemacht, den fremden Wolf zu verjagen, vielleicht war er auch unterwegs zum Château Montagne. Naomi wußte es nicht.
Unwillkürlich zuckte sie zusammen, als sie das laute Klopfen an der Tür vernahm. Verwirrt sah sie auf.
Wer kam da zu Besuch?
Sie erwartete doch niemanden!
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