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0494 - Fenrirs Wacht

0494 - Fenrirs Wacht

Titel: 0494 - Fenrirs Wacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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Und Fenrir klopfte nicht an. Er kratzte an der Tür oder am Fenster, wenn er herein wollte. Eine Zeitlang hatte Naomi mit dem Gedanken gespielt, ihm einen eigenen Eingang zu verschaffen, eine Art Klapptür, durch die er ganz nach Belieben kommen und gehen konnte. Aber irgendwie hatte sie sich nie dazu durchringen können. Erstens hatte sie an den Winter gedacht und daran, daß sich eine solche Tür nicht isolieren ließ und damit die Kälte ins Haus trug. Außerdem: wo ein Wolf hereinkam, konnte auch anderes Getier durchschlüpfen. Ratten ließen sich vom Wolfsgeruch nicht abschrecken.
    Jetzt war Naomi heilfroh, daß sie diese Idee nie verwirklicht hatte. Wenn sie daran dachte, daß der fremde Wolf ebenso hereinkommen könnte wie Fenrir, wurde ihr übel…
    Das Klopfen wiederholte sich. Naomi sprang auf und eilte zur Tür. Wer auch immer der Überrraschungsgast dort draußen war - sie mußte ihn hereinlassen. Denn vielleicht trieb sich die Bestie immer noch herum und lauerte nur darauf, über ihn herzufallen. Er mußte zu Fuß gekommen sein, denn Naomi hatte kein Auto gehört. Und zu Fuß war der unbekannte Besucher äußerst gefährdet.
    Naomi öffnete die Tür.
    Vor ihr stand ein hochgewachsener, blaßhäutiger Mann mit schwarzem Haar, schwarzen Augen und schwarzem Mantel. Er hielt einen langen Hirtenstab in der Hand.
    »Hallo«, sagte er. »Darf ich eintreten?«
    Naomi nickte und wich zurück. Der hagere Fremde mußte sich bücken, um durch die Tür zu schreiten.
    »Ich danke dir für deine Gastfreundschaft«, sagte er.
    Naomi runzelte die Stirn. Die vertrauliche Anrede wollte ihr nicht gefallen. »Wer sind Sie?« stieß sie hervor. »Woher kommen Sie, weshalb sind Sie hier?«
    »Ich möchte einen neuen Freund gewinnen«, sagte der Blasse.
    Naomi starrte ihn nachdenklich an. Sie fragte sich, was sie von dem Fremden halten sollte. Warum gab er sich so geheimnisvoll?
    Er war an ihr vorbeigegangen und ließ sich jetzt unaufgefordert auf einem Stuhl nieder. Sehnsüchtig sah er zum Herd hinüber, und dann zur Anrichte, auf der eine Flasche Wasser und ein paar Gläser standen, und dann glitt sein Blick weiter zu Naomi.
    Sie verstand sich selbst nicht, als sie sagte: »Sie müssen durstig und hungrig sein. Ich kann Ihnen Wasser oder Wein anbieten, und ich denke, das Essen wird für zwei reichen, wenn wir uns ein bißchen bemühen. Es ist bald fertig.«
    »Ich danke dir für deine Gastfreundschaft«, wiederholte er monoton.
    Irgendwie hatte Naomi das Gefühl, als wolle er nicht so bald wieder gehen, aber warum machte ihr das plötzlich kaum noch etwas aus?
    ***
    Nicoles Hand zuckte vor und drückte Robins Waffenhand nach unten. »Lassen Sie den Sterbehelfer stecken«, verlangte sie. »Der blöde Köter tut niemandem was zuleide.«
    Blöder Köter? Ich beiße dir gleich den Blinddarm ab! protestierte Fenrir telepathisch.
    »Das ist doch ein Wolf!« stieß Robin hervor.
    Phänomenal. Der Typ kann denken. Ist wohl Polizist, wie? kommentierte Fenrir. Auch Zamorra empfing die telepathische Botschaft des Wolfes.
    »Das ist Fenrir«, sagte Zamorra. »Der Wolf, von dem die Leute im Dorf Ihnen erzählt haben. Er ist friedlich und außerdem ziemlich intelligent. Der tut keinem Menschen etwas.«
    Aber wer Mensch ist, bestimme im-
    mer noch ich, teilte Fenrir sarkastisch mit.
    Zamorra schmunzelte unwillkürlich. Er fragte sich, was Robin wohl dazu gesagt hätte, wenn er Fenrirs Kommentar hätte verstehen können. Aber dazu hätte er Telepath sein müssen. Zamorra verzichtete darauf, ihm zu erklären, wie intelligent und begabt der Wolf war. Das mußte - noch -nicht sein. Dafür kannten sie Robin zu wenig. Möglicherweise endete seine Toleranz- und Akzeptanzschwelle hier, und er würde erstens kein Wort glauben und zweitens Zamorra und Nicole nicht mehr ernst nehmen.
    Benimm dich möglichst wie ein ganz normaler Wald- und Wiesen-Wolf, bat Zamorra in Gedanken und hoffte, daß Fenrir diese Botschaft auffing. Der Wolf bestätigte zu seiner Erleichterung sofort. Vorsichtig trottete er jetzt heran. Robin hielt die Waffe immer noch entsichert in der Hand, und nur die Tatsache, daß Zamorra und Nicole ganz gelassen dastanden und das Raubtier herankommen ließen, hinderte ihn daran, zu flüchten oder zu schießen.
    Aber es war ihm anzusehen, daß er sich äußerst unwohl in seiner Haut fühlte.
    »Sind Sie sicher, daß Sie dieser Bestie vertrauen können?« murmelte Robin besorgt. »Ich meine, das ist ein ausgewachsener Wolf und kein

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