0494 - Hexen-Polterabend
der sie hart anzog und hineinriß in eine Welt ohne Begrenzung.
Sie verschwanden…
Zurück blieben zwei Personen: Jane Collins und Abandur. Die Schöne und der Grausame, der kein Pardon kannte.
Aber er löste seine Lippen von ihrem Mund. Nicht ruckartig, sehr vorsichtig und behutsam, als wäre er ein Mensch, der seiner Geliebten nicht wehtun wollte.
Jane hielt die Augen auch weiterhin geschlossen. Obwohl sie noch mit beiden Füßen auf dem Boden stand und den Druck der Altarplatte unter sich spürte, kam es ihr vor, als würde sie auch weiterhin in einem Vakuum schweben, das nur von den Kräften des Bösen angefüllt war.
Sie erwachte wie aus einem sehr langen und tiefen Traum. Erst als sie Abandurs Stimme vernahm, reagierte sie wieder normal und kam seinem Befehl nach.
Jane öffnete die Augen!
Sie sah wieder das Gesicht. Es gehörte nicht Luzifer, auch nicht Lilith, sondern Abandur, der seine Lippen zu einem breiten Lächeln verzogen hatte und in seinen Augen den Triumph leuchten ließ.
Jane spürte ihren Körper kaum. Sie gewann den Eindruck, nur aus einem Gehirn zu bestehen. Ihr Blick flatterte, sie bewegte die Wimpern, runzelte die Stirn, als würde sie über irgend etwas nachdenken und bekam nicht mit, daß sie eigentlich mit beiden Füßen den Boden berührte.
Abandur hielt sie fest. Hätte er dies nicht getan, wäre sie sicherlich nach hinten gekippt und zu Boden gefallen.
In ihrem Körper rauschte es. Das Blut war erhitzt. Es kam ihr vor, als wäre es ausgetauscht worden.
Nur auf das Gesicht des Hexenmeisters konnte sie schauen und auf die langen, weißen Haare, die so glatt wie Fell zu beiden Seiten des Kopfes herabfielen und mit ihren Spitzen die Schultern berührten.
»Jetzt gehörst du endgültig mir!« sagte er mit seiner rauhen Stimme, in der auch unverhohlener Triumph mitschwang. »Ich habe dir den Kuß des Hexenmeisters gegeben, wie ich es schon vor langen Jahren tat, als du noch nicht auf dieser Welt lebtest. Aber mein Kuß hat nichts von seiner früheren Kraft verloren, das habe ich gespürt, als wir beide uns so intim berührten. Du bist mein, Jane Collins. Du bist wieder zu denen zurückgekehrt, zu denen du auch gehörst. In unsere Welt, in den Kreislauf der Schwarzen Magie, des Bösen. Ich bin von nun an dein Führer, du wirst mir untertan sein, und du wirst zu denjenigen gehen, die schon auf dich warten. Du kennst sie bereits, sie haben dich auch hergebracht.«
Jane hatte konzentriert zugehört. Sie empfand nicht einmal Angst, nur eine gewisse Gleichgültigkeit. Vielleicht wußte sie auch nicht, was mit ihr geschehen war. Sie fühlte sich nur so taub, selbst das Rauschen des Blutes war nicht mehr.
»Kannst du stehen?«
»Ich versuche es!«
Abandur ließ Jane los. Sie blieb auf den Beinen, war aber kraftlos und schwankte, so daß der Hexenmeister sie festhalten mußte.
Er lachte sie an. »So ist es immer zu Beginn. Zuerst übermannt dich die Schwäche, aber sie wird sehr bald von einer unheimlichen Stärke abgelöst, das kann ich dir versprechen. Ich habe dir den Kuß gegeben und das Band damit geschlossen. Du bist meine Braut und somit auch ein Teil von mir und von der gewaltigen Welt, in der wir uns zu Hause fühlen. Der Teufel wird auch dich leiten. Ich habe dich zurückgeholt - ich!«
Jane drehte den Kopf. Sie blinzelte ein wenig, weil die brennenden Schädel sie blendeten. Dabei konnte sie auch durch die Flammen schauen und sah dahinter die drei Totenköpfe, die weder verbrannten noch zerschmolzen.
Auch die dämonischen Gäste des Polterabends waren noch da und hatten zugeschaut.
Sie warteten ab, doch Jane spürte schon jetzt, wie erregt sie waren. Das Fest mußte weitergehen, es würde erst richtig beginnen und auch beweisen, zu welch schlimmen Dingen diese Kreaturen fähig waren.
Das wußte auch Abandur. Nicht umsonst gehörte diese Nacht und auch die nächsten Stunden ihm.
Er würde Jane Collins beweisen, wie Hexen feiern konnten, und er drehte sich zu seinen Gästen um, wobei er mit lauter Stimme rief: »Ich habe euch bewiesen, wie man es macht, meine Freunde. Kommt alle her, versammelt euch und zeigt unserer neuen Freundin, daß wir nichts verlernt haben…«
Bevor der Jubelschrei gegen den düsteren Himmel brandete, geschah etwas anderes.
Nicht auf dem Bluthügel, sondern ein Stück von ihm entfernt, schwang eine schrille, laute und unheimliche Melodie durch die Nacht.
Von einer Sekunde zur anderen rührte sich Abandur nicht mehr. Seine Gestalt war
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