0494 - Hexen-Polterabend
herab, tat nichts, stand da in Siegerpose und hatte seine Hände in die Hüften gestützt, wo das Fell aufhörte.
Auf mich machte er einen widerlichen Eindruck. Trotz der Glätte des Gesichts kam es mir häßlich vor, in seiner Breite und mit den wulstigen Lippen. Wenn ich mir vorstellte, daß sich diese braunen Schläuche auf Janes Mund gepreßt hatten, drang in mir der reinste Zorn hoch.
Seine Helfer waren nicht allein Hexen, auch andere schlimme Geschöpfe. Monstren, wie sie nur die Hölle erschaffen konnte. Wahrscheinlich hatten sie vor langer Zeit als Hexen mit diesen Kreaturen auf dem Bluthügel gebuhlt.
Leider verdeckte mir der breite Körper des Hexenmeisters die Sicht auf Jane Collins. Ich konnte nur ihre Beine sehen. Sie saß noch immer auf dem bleichen Knochenthron.
Abandur grinste. Er fühlte sich sicher. Neben ihm bewegte sich ein schleimiges Wesen, das mich an einen Ghoul erinnerte. Es besaß ein quallenhaftes Aussehen. Das Innere des Körpers war durch rote Blutfäden gezeichnet, die ein Muster bildeten und kreuz und quer liefen.
Am oberen Rand des Hügels blieb ich stehen. Abandur nickte mir entgegen. »Willkommen, John Sinclair, und willkommen Suko. Ich muß euch gratulieren, ihr habt es tatsächlich geschafft, den Mordanschlägen zu entwischen.«
»So gut war dein Plan auch nicht.«
Abandur lachte auf mich nieder. »Aber er hat funktioniert. Wunderbar sogar. Zwar lebt ihr noch, doch ihr habt den Fehler begangen und seid zu mir gekommen. Das ist nicht gut, kann ich euch sagen. Überhaupt nicht gut. Es gleicht einem Selbstmord. Schaut euch um. Ich habe genügend Helfer, die nur darauf warten, euch zu vernichten.«
»Vielleicht hilft uns Jane Collins!« behauptete ich provozierend.
Mit dieser Bemerkung hatte ich Abandur aus der Fassung gebracht. Er schüttelte einige Male den Kopf, lachte dröhnend und trat dann zur Seite, um Suko und mir Platz zu schaffen.
»Da!« rief er. »Schau sie dir an, bevor wir dich zerreißen. Du kannst sie sehen, du…«
»Schon gut.«
Ich war einen Schritt vorgegangen, stand jetzt mit beiden Beinen auf der ebenen Fläche der Hügelkuppe und konnte frei auf den aus Knochen errichteten Thron blicken.
Dort saß Jane.
Und sie sah aus wie immer. Vielleicht ein wenig bleich und mitgenommen. Sie hatte die Lippen verzogen, dennoch wollte ich nicht glauben, daß es ein Lächeln war, mit dem sie mich begrüßte, da ich nicht einmal wußte, ob sie mich auch wahrgenommen hatte, denn ihr Blick zeigte eine gewisse Leere und war nach innen gekehrt.
Ich hatte sie eigentlich ansprechen wollen, wußte aber, daß es einer Blamage hätte gleichkommen können und lauschte statt dessen auf die Stimme des Hexenmeisters. »Sieh sie dir an, Sinclair. Sieh sie dir genau an. Sie ist es und sie ist es nicht. Glaubst du, daß sie noch einmal zu dir zurückkehren wird. Sie hat meinen Kuß empfangen, ich bin durch sie gestärkt worden. Ich habe ihr etwas geraubt, das die Menschen zu allen Zeiten liebten, die Schönheit. Ihre Schönheit habe ich an mich gerissen, sie erhält mich am Leben.«
So ganz traute ich den Worten nicht. »Kann ich zu ihr?« fragte ich und hörte gleichzeitig Sukos warnende Stimme hinter mir.
»Gib acht, John…«
Abandur hatte heute seinen großzügigen Tag. Er streckte einen Arm aus und wies auf den Thron.
Seine Finger waren übernatürlich lang. Die Nägel zeigten eine matte Lackierung.
»Bitte sehr, Sinclair. Jeder Verurteilte hat einen letzten Wunsch. Auch ich will ihn dir nicht ausschlagen. Geh zu ihr und schau dir an, daß sie nicht mehr auf deiner Seite steht. Aber eines möchte ich dir noch sagen. Du bist sicherlich gekommen, um mich zu vernichten. Bitte, du kannst es versuchen. Nur möchte ich dich über eine Sache aufklären. Wenn du mich tötest, vernichtest du gleichzeitig meine Diener und Freunde. Jane Collins gehört auch dazu…«
***
Mit dieser Erklärung hatte ich zwar irgendwie gerechnet, weil die schwarzmagische Seite noch immer einen Trumpf in der Hinterhand hielt, aber ich hatte doch auf Janes Widerstandskraft vertraut.
War sie endgültig gebrochen worden?
»Nun, Sinclair?«
»Ich weiß nicht, ob du geblufft hast, Abandur. Ich werde trotzdem zu ihr gehen.«
»Bitte.«
Ich ging an ihm vorbei. Den Rücken würde mir Suko decken, auf ihn konnte ich mich verlassen.
Nicht nur Jane befand sich im Widerschein des Feuers, auch ich geriet hinein, und das Licht der brennenden Schädel floß über mein Gesicht.
Wärme spürte ich dabei nicht.
Weitere Kostenlose Bücher