0496 - Das Knochenhaus
einem Kopf, und der wiederum gehörte zu einem statuenähnlichen Körper, der wie ein Stamm vom Grund her in die Höhe ragte.
Vor mir stand die Kelten-Hexe Looza!
***
Maya Mayotte hatte John Sinclair in der Tiefe verschwinden sehen. Sein Körper war noch für einige Augenblicke dicht unter der Wasserfläche zu sehen gewesen, dann hatte ihn irgendeine Kraft gepackt und mitgenommen.
Die Zigeunerin konnte nur eines tun. Sitzenbleiben, hoffen und vielleicht beten.
Sie hockte auf der obersten Stufe. Neben ihr saß Jane Collins. Ihr schlapper Körper lehnte mit dem Rücken an der Tür, der Kopf war zur Seite gedrückt worden und lag an Mayas Schulter.
Sie mußte Jane festhalten, und sie beobachtete gleichzeitig die Wasserfläche. Glücklicherweise besaß sie noch ihre kleine Lampe. Der Strahl strich über die gurgelnde, schäumende Fläche, die zu ihrem Leidwesen und ihrer Angst noch anstieg.
Die Hälfte der Treppe hielt sie bereits bedeckt. Noch immer quollen aus dem aufgerissenen Boden die Wassermassen, so daß der nasse Tod ständig näher rückte und nach wenigen Sekunden nur mehr zwei Stufen von ihr entfernt war.
Falls das Wasser weiter mit dieser Geschwindigkeit stieg, würden beide ertrinken.
Maya kümmerte sich um Jane. Sie wollte zusehen, daß die Frau aus ihrer Bewußtlosigkeit erwachte.
Wenn der Kampf ums nackte Leben begann, war sich jeder selbst der nächste.
Um Jane Collins aufzuwecken, blieben ihr höchstens einige Minuten. Maya versuchte es mit Gewalt. Jetzt bedauerte sie es auch, John Sinclair nicht von seinem Plan abgehalten zu haben. Im nachhinein konnte sie nichts mehr tun.
Die Schläge, mit ihrer Handfläche geführt, klatschten links und rechts gegen die Wangen. Janes Kopf wurde geschüttelt, Maya leuchtete in das Gesicht der Bewußtlosen und sprach sie auch unaufhörlich an.
»Wach endlich auf, Jane! Wach auf, sonst werden wir hier ertrinken. Du mußt aufwachen, ich kann mich nicht um dich kümmern, zum Teufel.«
Jane zeigte keine Reaktion.
Vor Angst und Zorn stöhnte die Zigeunerin auf. Sie leuchtete wieder auf den Wasserspiegel, der ständig, näher kroch und die Stufen vor ihr schon umspülte.
Die zweitletzte…
Noch einmal startete sie einen Versuch. Sie schrie Jane an, sie schüttelte sie, leuchtete in ihre Augen - und sah plötzlich, wie sich die blonde Frau bewegte.
Es war nur mehr ein Zucken der Augenlider, aber das erste Anzeichen von einem Wiedererwachen.
Maya fiel ein Stein vom Herzen. Sie rief Jane ins Ohr: »Wach endlich auf, Mädchen, wach auf…«
»Was… was ist denn?«
»Aufwachen!«
Jane hielt die Augen jetzt offen. Sie starrte die Zigeunerin mit einem leeren Blick an. »Mein Kopf… er ist um das Doppelte gewachsen. Ich habe das Gefühl, nicht mehr denken zu können. Das ist alles so furchtbar. John, wo…?«
»Darauf kannst du keine Rücksicht nehmen!« rief Maya. »Du mußt an das verdammte Wasser denken. Es steigt immer höher, begreifst du das? Immer höher…«
»Welches Wasser?«
»Das Wasser im Keller, Mädchen. Wir sind überschwemmt worden. Begreifst du das nicht?«
Jane Collins verzog die Lippen. Sie schloß die Augen, preßte dann eine Hand gegen ihre Stirn, drückte den Kopf zurück und holte einige Male tief Luft. Maya leuchtete sie an und erkannte, daß sich die Augen der Detektivin klärten. Die Erinnerung kehrte zurück. »John«, sagte sie. »John Sinclair. Er hat es getan. Er schlug mich nieder. Er hat mich… er hätte auf mich hören sollen.«
»John ist getaucht. Der Boden ist gerissen. Wir müssen uns damit abfinden, Jane. Das Wasser…«
»Ja, ich sehe es!«
Jane hatte mit einer leisen Stimme gesprochen. Die Angst war aus ihr herauszuhören, denn der Wasserspiegel war so weit gestiegen, daß die dunkle Flüssigkeit über die Stufe vor ihnen schwappte. Sie hatten schon nasse Füße bekommen, und es sah nicht so aus, als wäre der höchste Pegelstand bereits erreicht.
»Welche Chance gibt es?« fragte Jane. »Die Tür!«
»Sie ist verschlossen.«
Maya Mayotte nickte heftig. »Ja, sie ist verschlossen. Vielleicht schaffen wir es durch gemeinsame Anstrengungen, sie wieder zu öffnen. Muß ich dir noch mehr erzählen?«
»Nein, das brauchst du nicht.« Jane hatte sich schon gedreht. Einen Anlauf konnten beide nicht nehmen. Um ihre Fußknöchel sprudelte bereits das Wasser. Es war eine gierige Flut, die alles vernichten wollte. Sie schluckte, sie war einfach nicht zu stoppen, nur durften sich die beiden davon nicht ablenken
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