0496 - Das Knochenhaus
der Kerzen, wirkte wie in das Gesicht hineingemalt, so feingeschwungen waren die Lippen. Die Brauen hatte sie ausgezupft, so daß sie ein strichartiges Aussehen bekommen hatten.
»Genau gesehen?« fragte sie mich.
Ich zog mir den Stuhl heran. »Man muß schließlich wissen, mit wem man es zu tun hat.«
»Weißt du es denn?«
Ich setzte mich. In ihren dunklen Pupillen tanzten die Reflexe des Kerzenlichts. »Nein, noch nicht. Ich hatte eigentlich jemand anderen erwartet. Einen Mann, der mich anrief und mir den Namen Eric Mayotte sagte. Daß Sie eine Frau sind, kann ich nicht übersehen.«
»Spar dir die falschen Komplimente. Jedenfalls ist Eric nicht hier.«
»Das sehe ich. Und wer sind Sie?«
»Ich bin Maya und heiße ebenfalls Mayotte«, fügte sie noch hinzu.
»Erics Frau?«
»Nein, seine Schwester.«
Ich nickte, ohne dabei eine Antwort zu geben, sah auf dem Tisch einen Aschenbecher und fragte, ob ich rauchen durfte.
»Ja, gib mir auch eine.«
Sie bekam von mir ein Stäbchen. Feuer nahm sich Maya von einer der Kerzen. Dabei schaute sie mich über die Flammenspitze hinweg an. Sie lehnte sich zurück und ließ den Rauch durch die Nasenlöcher fließen. Dabei betrachtete sie mich.
»Du bist noch nicht alt!« stellte sie fest.
»Für ein Kind bin ich ein Opa.«
»Jedenfalls zu jung, um zu sterben.«
»Das hatte ich auch nicht vor.«
Zweifel traten in ihren Blick. »Wer will das schon?« sagte sie leise. »Aber Menschen wie du müssen immer damit - rechnen, daß es sie einmal und vor allen Dingen urplötzlich ereilt. Ich brauche nur an meinen Messerwurf zu denken. Die Klinge hätte dich auch an die Tür nageln können, John Sinclair.«
»Es wäre mein Pech gewesen.«
Maya stäubte Asche ab. »Stimmt, dein Pech, Sinclair. Der Wurf war von mir auch nur als Warnung gedacht. Als Zeichen, wie eng Leben und Tod zusammenhängen.«
»Soviel zur Einleitung«, sprach ich. »Wie geht es weiter? Weshalb haben Sie mich überhaupt empfangen?«
Maya ließ sich Zeit mit der Antwort. Sie rauchte einige Züge. Da sie neben einem kleinen Fenster saß, schob sie die Gardine zur Seite und holte von der Fensterbank eine Rotweinflasche und zwei Gläser. Sie stellte die drei Dinge auf den Tisch und füllte die Gläser. »Nimm dir eines, Sinclair, der Wein ist gut.«
Ich wollte nicht unhöflich sein. Wir prosteten uns zu, tranken, und ich spürte ihn wie dünnes Öl über meine Zunge rinnen. Er hatte es verdammt in sich.
»Dies könnte der letzte Schluck in deinem Leben sein«, begann Maya wieder, »denn es gibt Dinge, die für Menschen einfach zu groß sind.«
»Warum haben Sie dann mir Bescheid gesagt?«
Sie hob einen Finger und wedelte damit. »Für normale Menschen«, korrigierte sie sich.
»Und ich bin nicht normal?«
»Nein, du hast zumindest einen unnormalen Beruf. Du beschäftigst dich mit Kräften, die tief in der Vergangenheit ihren Ursprung haben. Dinge, über die viele Menschen nicht sprechen, die sie aber mit dem Begriff unheimlich, legendenhaft, höllisch und was weiß ich nicht alles umschreiben.«
»Das stimmt in der Tat.«
»Weil dem so ist, wollte mein Bruder mit dir reden und dir von einer, ich drücke es mal nüchtern aus, Sache erzählen, die ihn schon seit Jahren bedrückt.«
»Dreht es sich dabei um die Hölle?«
Maya drückte die Zigarette aus und nahm noch einen Schluck Wein. Den letzten Tropfen wischte sie mit der Zungenspitze von ihrer Unterlippe. »Ich glaube nicht, daß es sich allein um die Hölle dreht«, erwiderte sie. »Es ist möglicherweise etwas anderes.«
»Bitte!«
»Keltische Magie.«
»Ach.«
»Du kennst sie.« Maya lächelte und ließ mich trotzdem nicht zu Wort kommen. »Sie ist gefährlich, sie ist uralt, es ist eine Natur-Magie, und auch sie hat die Zeiten überlebt. Es gibt gewisse Orte auf der Welt, wo sie sich konzentriert hat.«
»Das weiß ich.«
»Und nicht nur in Irland«, fuhr Maya fort. »Auch an anderen Flecken der Welt findest du sie. Eric, mein Bruder, wußte von einem dieser Orte. Er wußte auch von der großen Gefahr, die davon ausging, und er wollte sie mit dir zusammen zerstören, denn er hat erfahren, wer du bist und wie du dein Leben führst.«
»Das finde ich nobel. Weniger schön finde ich es aber, daß er fortgegangen ist.«
»Ja, er mußte.«
»Weshalb?«
»Er spürte, daß er nicht mehr warten konnte. Hätte er auf dich gewartet, wäre es zu spät gewesen. So hat er unseren Wagen verlassen und ist allein gefahren.«
»Zu diesem
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