0496 - Das Knochenhaus
aber genauer anschauen, was vorgefallen war.
Auf dem kleinen Wagen war kein Glas mehr heil geblieben. In der Zeit, als auch die Scheibe des TV-Geräts zerstört wurde, war auch der Rest an noch heilen Gläsern zusammengebrochen und hatte sich als Scherbenhaufen verteilt.
Die Scherben und Reste steckten im Teppich und wurden durch meine Füße noch tiefer hineingetreten, als ich mich wieder dem Tisch zuwandte.
Neben Maya Mayotte blieb ich stehen und tippte sie an. Die Frau reagierte nicht. Sie wollte allein gelassen werden und keinen Trost hören. Aber was hätte ich ihr auch sagen können? Daß es mir leid tat? Daß sie sich möglicherweise geirrt hatte?
Daran wollte ich allerdings nicht so recht glauben. Frauen wie Maya besaßen oft einen Zweiten Blick, das kannte ich aus Erfahrung. Unterschätzen durfte man diese Fähigkeit nicht. Schon des öfteren hatten mir Menschen mit diesen Gaben geholfen.
Nach einer Weile richtete sich Maya auf.
Ich kam mir etwas verloren vor, wie ich neben dem Tisch stand, und wußte auch jetzt nicht so recht, wie ich sie ansprechen sollte.
»Er ist tot«, sagte sie wieder.
»Woher wissen Sie das?«
»Ich spüre es einfach.« Sie flüsterte jetzt. »Er und ich, wir waren seit Kindheitstagen zusammen. Er hat immer von dem Bösen gesprochen, vors diesem unheimlichen Haus, dessen Kräfte er zerstören mußte. Lange Jahre dauerte es, bis er sich überwinden konnte, dies in Angriff zu nehmen. Das hat er heute getan.«
»Vielleicht ist er nur verletzt!«
»Nein!« schrie sie mich fast an. Dann ballte sie ihre rechte Hand zur Faust und schlug damit mehrmals auf den Tisch. Jeden Schlag begleitete sie mit dem Satz:
»Er ist tot. Er ist tot…!«
Dann brach sie wieder zusammen und weinte. Ich nahm Platz, beobachtete die Frau, die hin und wieder den Kopf anhob und ihn schüttelte. »Ich weiß nicht, was ich machen soll«, flüsterte sie. »Ich bin zu schwach.«
»Wir werden uns gemeinsam das Haus ansehen.«
»Nein, auch du schaffst es nicht. Es ist so etwas Altes, Grausames und Böses. Irgendwie muß er erweckt worden sein, durch welchen Vorgang auch immer.«
»Wissen Sie, wem das Haus gehört hat?«
Ich erntete ein Achselzucken. »Es hatte wohl mal einen Besitzer. In der letzten Zeit muß es leergestanden haben. Jedenfalls hat mein Bruder nie über einen Bewohner oder Besitzer gesprochen. Es war wie eine Zeitbombe. Verstehst du?«
»Das ist mir schon klar.«
»Und man soll die Urzeit-Magie ruhen lassen, sonst verbrennt man sich die Finger oder noch schlimmer.« Sie holte fast schlürfend Luft. »Es tut mir leid, daß dies geschehen mußte, aber ich kann Ihnen auch nicht mehr helfen.«
»Sollen wir nicht gemeinsam das Haus aufsuchen?«
»Ich will nicht!« Sie starrte mich aus ihren tränenfeuchten Augen an. »Jedenfalls nicht jetzt!«
»Wann denn?«
»Du mußt jetzt gehen«, sagte sie leise. »Ich… ich möchte allein sein, verstehst du?«
»Sicher. Ist es nicht zu gefährlich? Was Ihrem Bruder passiert ist, könnte auch Ihnen geschehen, Maya.«
»Nein, nicht mir. Ich bin hier in meinem Wagen. Ich befinde mich nicht im Haus.«
»Kann das Böse die Mauern des Hauses denn verlassen?« forschte ich weiter. »Ich hoffe nicht.«
»Wenn es gefangen ist«, sagte ich, »wer könnte dafür gesorgt haben?«
»Ein mächtiger Zauberer.«
»Den Sie nicht kennen?«
»Nein, ich kenne nichts. Ich weiß nur von der Gefahr, die sich zusammenbraut. Und ich bin mir sicher, daß es noch andere Menschen gibt, die davon erfahren haben. Man muß sie suchen und finden. Vielleicht gelingt es ihnen, den Fluch zu brechen. Wir brauchen Verbündete, starke Freunde. Sonst sind wir verloren.«
»Vielleicht fällt Ihnen noch ein, Maya, wo sich das Haus befinden könnte«, sagte ich. »Wenn ja, tun Sie mir einen Gefallen und rufen Sie mich an.« Ich gab ihr meine Karte, die sie, ohne einen Blick darauf zu werfen, einsteckte.
»Es ist gut.«
»Soll ich wirklich nicht bleiben?« fragte ich noch einmal.
»Nein, geh jetzt.«
»Aber ich komme wieder.«
»Ich kann dich nicht daran hindern. Doch nicht so schnell. Vielleicht später.«
»Morgen?«
Sie nickte, ohne davon überzeugt zu sein. Dann erhob sie sich und verschwand hinter dem Vorhang.
Die Kerzen ließ sie brennen. Auf leisen Sohlen zog ich mich zurück. Bevor ich die Tür öffnete, warf ich noch einen Blick auf das Messer.
Als Warnung war es gedacht worden. Bei mir hatte es etwas bewirkt, bei Eric Mayotte nicht.
Auch ich war inzwischen davon
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