0498 - Die Totentänzerin
vernichtete sie auch. Der Schnabel schnappte nach dem Kopf, packte ihn. Einen Moment später zog das Gebilde die Tänzerin in die Höhe.
Ich schaute zu und sah, wie Ifune Stück für Stück von diesem gewaltigen Schnabel verschlungen wurde.
Der Vergleich mit einer Schlange fiel mir ein, die ein Kaninchen verspeiste.
So war es auch hier.
Horus kannte keine Gnade. Vielleicht hatte er auch nur auf diese Chance gewartet. Jedenfalls waren die schrillen Schreie der Tänzerin verstummt. Immer größere Teile ihres Körpers verschlang der gewaltige Schnabel, so daß zuletzt nur mehr die Füße hervorschauten. Ein letztes Saugen noch, ein Schnappen - es war vorbei.
Und was war mit mir?
Der Kopf des Gottes Horus drückte sich zentimeterweise in die Höhe, so daß mich die beiden Augen anschauen konnten.
Augen starr und kalt wie Bergseen! Erfüllt mit einem Licht, das auch von meinem Kreuz abgegeben wurde.
Licht, Freiheit, das sich Öffnen des Dimensionstores. Ich spürte es gleichzeitig, ging wie in Trance auf die Wand zu, ohne daß mir jemand den Befehl gegeben hätte - und merkte, daß ich keinen Boden mehr unter den Füßen hatte.
Ich flog und flog davon. Irgendwohin, in die Weite der Zeiten, die so unbegreiflich waren.
Hinein in Welten, die ich nicht erfassen konnte, obwohl ich dort menschliche Stimmen vernahm.
Stimmen?
Ich schaute mich um. Der Boden war unter meinen Füßen wieder fest geworden. Keine Spur mehr von Horus und seiner ehemaligen Geliebten, statt dessen sah ich vor mir einen dunklen Vorhangstoff, der in der Mitte zur Seite gezogen war.
Da wußte ich Bescheid.
Meine Welt hatte mich wieder, und ich war dem Schicksal verflixt dankbar dafür…
***
Sie starrten mich an wie einen Fremden, als ich den Raum betrat. Auch ich war überrascht, als ich drei Männer am Boden liegen sah, die ich zwar nicht gut kannte, aber dennoch identifizieren konnte.
Zwei von ihnen hatten mir diesen verdammten Film gezeigt.
Weshalb waren sie gekommen?
Die Antwort bekam ich nicht von Charles Everett, sondern von Suko, der in das Zimmer kam, mich sah, den Kopf schüttelte und staunend meinen Namen aussprach.
»Hast du was?« fragte ich ihn.
»Verdammt, wo kommst du her?«
»Aus dem alten Ägypten. Ich soll dir einen schönen Gruß von Horus und Ifune bestellen. Die Tänzerin gibt es nicht mehr.«
»Hast du sie…?«
»Nein, ich nicht. Es war Horus persönlich, kann ich mir denken.« Ich winkte ab. »Jedenfalls ist die Geschichte ein wenig kompliziert. Ich erkläre sie dir später.«
»Wir haben Glenda!«
Plötzlich stand ich still. »Noch mal«, sagte ich leise. »Was hast du da gesagt?«
»Wir haben Glenda. Sie liegt bereits in einem Krankenhaus und wird sich dort erholen.«
Ich drehte mich Suko zu. »Du?« fragte ich ihn.
»Nein. Spielende Kinder entdeckten und befreiten sie. Glenda muß Glück gehabt haben.«
»Das kannst du wohl laut sagen. Befand sie sich tatsächlich auf einem Friedhof?«
»Soviel ich weiß, ja.«
»Gut, dann können wir diesen Fall abhaken.«
»Noch nicht.« Suko bückte sich und legte den Gangstern Handfesseln an. »Ich habe den Kollegen schon Bescheid gegeben, damit sie die Typen hier abholen können. Ich frage mich nur, wie sie auf diesen Zauber gekommen sind.«
»Das kann ich dir auch sagen, aber später.« Ich ging auf Charles Everett zu. »Nun, haben Sie die Nase voll?«
»Wieso das? Der Kristall ist rein. Wir haben unsere Kraft daraus geschöpft. Es ist ein kosmischer Gruß, der uns überlassen wurde. Glauben Sie wirklich, daß wir ihn nicht erwidern werden?«
Ich winkte ab. »Glauben sie, was Sie wollen, Mr. Everett. Ich glaube an etwas anderes.«
»Und an was, wenn ich fragen darf?«
»Daran, daß ich heute abend ein riesengroßes Bier trinken werde…«
ENDE
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