Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
05 - Denn bitter ist der Tod

05 - Denn bitter ist der Tod

Titel: 05 - Denn bitter ist der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
ich war nicht bereit, wie ein Mönch zu leben. Das hatte ich zwei Jahre lang getan. Zwei Jahre tot. Ich wollte wieder leben.«
    »Wann haben Sie Elena kennengelernt?« fragte Lynley.
    Herington wischte die Frage beiseite. Er schien die Geschichte auf seine Weise erzählen zu wollen, nur auf seine Weise. »Die Vasektomie hatte mit Elena nichts zu tun«, sagte er. »Sie war das Ergebnis einer ganz privaten Entscheidung über mein weiteres Leben. Ich wollte meinen Anteil an der sexuellen Freizügigkeit, in der wir heute leben, aber ich wollte nicht das Risiko einer unerwünschten Schwangerschaft eingehen. Und auch nicht das Risiko, von einer Frau hereingelegt zu werden. Darum ließ ich den Eingriff vornehmen. Und dann bin ich auf die Pirsch gegangen.«
    Er hob sein Glas mit einem spöttischen Lächeln. »Es war, das muß ich zugeben, ein ziemlich bitteres Erwachen. Ich war knapp fünfundvierzig Jahre alt, in ganz ordentlicher Verfassung, hatte einen Prestigeberuf und genoß als relativ bekannter Universitätsprofessor Ansehen und eine gewisse Bewunderung. Ich erwartete, daß die Frauen sich um mich reißen würden, schon weil sie es schick und aufregend finden würden, mal mit einem Cambridge-Professor zu schlafen.«
    »Aber so war es wohl nicht?«
    »Jedenfalls nicht bei den Frauen, die mich interessierten.« Herington sah Helen mit einem langen, nachdenklichen Blick an, als versuchte er zu entscheiden, welcher der beiden Kräfte, die in ihm stritten, er nachgeben sollte: der Klugheit, die ihm riet, nicht mehr zu sagen, oder dem überwältigenden Drang, endlich reinen Tisch zu machen. Er gab dem Drang zur Selbstentblößung nach und wandte sich wieder Lynley zu.
    »Ich wollte eine junge Frau, Inspector. Ich wollte einen jungen, straffen Körper, glatte Haut, weiche, faltenlose Hände...«
    »Und Ihre Frau?« fragte Helen. Ihr Ton war ruhig. Sie hatte die Beine übereinandergeschlagen, ihre Hände lagen locker in ihrem Schoß. Aber Lynley kannte sie gut genug, um sich vorstellen zu können, wie zornig sie geworden war, als Herington seelenruhig seine Forderungen vorgebracht hatte: Kein Geist, keine Seele, nur ein junger Körper.
    Herington antwortete ihr freimütig. »Drei Kinder«, sagte er. »Jedesmal hat Rowena sich hinterher ein bißchen mehr gehenlassen, dann ihre Haut, dann ihren Körper.«
    »Mit anderen Worten, eine reife Frau, die drei Kinder geboren hatte, reizte Sie nicht mehr.«
    »Ja, das gebe ich zu, so schlimm es klingt«, sagte Herington. »Ihr Körper hat mich abgestoßen. Aber vor allem hat mich abgestoßen, daß sie überhaupt nicht daran dachte, etwas für sich zu tun. Und daß es ihr überhaupt nichts ausmachte, als ich sie in Ruhe ließ. Im Gegenteil.«
    Er stand auf und trat an das Fenster zum Park. Er zog den Vorhang zurück und starrte hinaus, während er von seinem Cognac trank.
    »Ich wollte leben«, sagte er wieder. »Ich ließ die Vasektomie machen, um mich vor unerwünschten Problemen zu schützen. Dann begann ich, meine eigenen Wege zu gehen. Das einzige Problem war, daß ich merkte, daß es mir an der richtigen - wie soll ich es nennen? - der richtigen Strategie? der richtigen Technik? fehlte.« Er lachte mit leisem Spott. »Ich hatte mir eingebildet, es wäre ganz einfach. Ich würde zwar mit zwei Jahrzehnten Verspätung in die sexuelle Revolution einsteigen, aber einsteigen würde ich auf jeden Fall. Ein alternder Pionier. Gott, war das alles eine unerfreuliche Überraschung für mich.«
    »Und dann ist Ihnen Elena Weaver über den Weg gelaufen?« fragte Lynley.
    Herington blieb am Fenster und blickte in die Dunkelheit hinaus. »Ich kenne ihren Vater seit Jahren. Ich bin ihr schon früher begegnet, wenn sie zu Besuch hier war, ein- oder zweimal. Aber erst als er im vergangenen Herbst mit ihr zu uns ins Haus kam, weil sie sich einen jungen Hund aussuchen wollte, habe ich aufgehört, sie als Anthonys gehörlose kleine Tochter zu sehen. Aber auch da war es von meiner Seite nur Bewunderung. Sie sprühte vor Lebenslust, sie war gutmütig, voller Energie und Enthusiasmus. Sie kam trotz ihrer Gehörlosigkeit gut mit dem Leben zurecht, und ich fand sie - neben allem anderen - ungemein attraktiv. Aber Anthony ist ein Kollege, und selbst wenn mir nicht Dutzende junger Frauen schon gezeigt gehabt hätten, wie wenig begehrenswert ich war, hätte ich es niemals gewagt, mich der Tochter eines Kollegen zu nähern.«
    »Dann hat sie sich also Ihnen genähert?«
    Herington machte eine Geste, die das

Weitere Kostenlose Bücher