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05 - Denn bitter ist der Tod

05 - Denn bitter ist der Tod

Titel: 05 - Denn bitter ist der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Zimmer umschloß. »Sie kam im letzten Jahr im Herbstsemester mehrmals hier vorbei. Sie erzählte mir, wie es dem Hund ging, trank eine Tasse Tee bei mir und stibitzte sich ein paar Zigaretten, wenn sie glaubte, ich sähe es nicht. Ich fand ihre Besuche nett. Ich begann, mich auf sie zu freuen. Aber bis Weihnachten geschah nichts zwischen uns.«
    »Und dann?«
    Herington kehrte zu seinem Sessel zurück. Er drückte seine Zigarette aus, zündete sich aber keine neue an. »Sie kam vorbei, um mir das Abendkleid zu zeigen, das sie sich für einen der Weihnachtsbälle gekauft hatte. Sie sagte, ich zieh es mal an, ja?, und dann kehrte sie mir den Rücken und fing hier im Zimmer an, sich auszuziehen. Später wurde mir klar, daß sie das mit voller Berechnung getan hatte, aber in dem Moment war ich nur entsetzt. Nicht nur über ihr Verhalten, sondern über meine Reaktion angesichts solchen Verhaltens. Erst als sie schon in der Unterwäsche war, sagte ich: Lieber Gott, was tun Sie denn da, Kind? Aber ich war auf der anderen Seite des Zimmers, und sie stand mit dem Rücken zu mir. Sie konnte nicht von meinen Lippen ablesen. Sie hat sich einfach weiter ausgezogen. Da bin ich zu ihr gegangen, hab sie herumgedreht und meine Frage wiederholt. Sie schaute mir direkt in die Augen und sagte: ›Ich tue, was du dir wünschst, Victor.‹ Und da war es geschehen, Inspector.« Er trank den letzten Rest Cognac und stellte das leere Glas auf den Tisch. »Elena wußte genau, was ich suchte. Ich bin sicher, sie hat es schon an dem Tag gewußt, als sie mit ihrem Vater zu uns kam, um sich die Hunde anzusehen. Sie hatte ein unheimliches Gespür für Menschen - oder zumindest für mich. Sie wußte immer, was ich wollte und wann ich es wollte.«
    »Da hatten Sie also den straffen jungen Körper gefunden, nach dem Sie auf der Suche gewesen waren«, sagte Helen kühl.
    Herington wich nicht aus. »Ja«, antwortete er. »Aber es war anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Ich hatte nicht mit Liebe gerechnet. Ich habe nur an Sex gedacht. Sex, wann immer wir Lust dazu hatten. Jeder von uns hat schließlich den Zwecken des anderen gedient.«
    »Inwiefern?«
    »Sie kam meiner Sehnsucht entgegen, ihre Jugend zu genießen und vielleicht selbst noch einmal ein Stück Jugend zu erleben. Und ich habe mich ihr als Instrument angeboten, ihren Vater zu bestrafen.« Er sah von Lynley zu Helen, als wollte er ihre Reaktion auf diese letzten Worte ergründen. Dann setzte er hinzu: »Ich bin schließlich kein völliger Dummkopf, Inspector.«
    »Aber vielleicht sind Sie sich selbst gegenüber zu hart.«
    »Nein«, widersprach Herington. »Schauen Sie, ich bin siebenundvierzig Jahre alt und kein Adonis. Mit mir geht es bergab. Sie war zwanzig, von Hunderten junger Männer umgeben, die noch ihr ganzes Leben vor sich hatten. Weshalb hätte sie sich ausgerechnet mich aussuchen sollen, wenn nicht, weil sie wußte, daß sie damit ihren Vater treffen konnte? Es war ja wirklich der perfekte Plan: einen seiner Kollegen zu wählen - einen seiner Freunde sogar. Einen Mann noch dazu, der älter war als er; der verheiratet war; der Kinder hatte. Ich konnte mir nicht vormachen, daß Elena mich wählte, weil sie mich attraktiver fand als alle anderen Männer. Ich habe von Anfang an gewußt, worum es ging.«
    »Um den Skandal, von dem Sie vorhin gesprochen haben?«
    »Anthony hat sich viel zu sehr von Elena abhängig gemacht. Von ihrem Verhalten hier in Cambridge und von ihren Leistungen. Er hat sich in alles eingemischt. Wie sie sich kleidete, wie sie sich benahm, wie sie beim Unterricht mitmachte, wie sie ihre Tutorien erledigte. Das war ihm alles ungeheuer wichtig. Meiner Ansicht nach glaubte er, man würde ihn - als Mann, als Vater und sogar als Wissenschaftler - an ihrem Erfolg oder Mißerfolg hier messen.«
    »Und hatte die Berufung auf den Penford-Lehrstuhl mit alledem zu tun?«
    »In seinem Kopf sicher, denke ich. In der Realität nicht.«
    »Aber wenn er glaubte, man würde ihn an Elenas Verhalten messen... «
    »... dann mußte er ständig darauf achten, daß sie sich so benahm, wie es sich für die Tochter eines angesehenen Dozenten gehörte. Das wußte Elena. Sie hat diese Einstellung in allem gespürt. Sie wollte ihn dafür strafen, und Sie können sich wohl vorstellen, daß ihr dazu seine Erniedrigung, wenn bekannt werden sollte, daß seine Tochter ein heißes Verhältnis mit einem seiner Kollegen und Freunde hatte, gerade recht war.«
    »Machte es Ihnen denn nichts

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