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05 - Denn bitter ist der Tod

05 - Denn bitter ist der Tod

Titel: 05 - Denn bitter ist der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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Sherry zu trinken und freundlich zu schwatzen, obwohl ich am liebsten geheult hätte wie ein Tier.«
    Seine Stimme schwankte ein wenig bei den letzten Worten, und Helen beugte sich in ihrem Sessel vor, als wollte sie ihm Trost spenden. Doch sie ließ es sein, als Lynley mahnend die Hand hob. Herington sog tief an seiner Zigarette und legte sie dann auf einem Aschenbecher ab, der neben ihm auf dem Tisch stand. Er schien sich wieder gefaßt zu haben.
    »Aber welches Recht habe ich, meinen Schmerz zu zeigen?« fuhr er fort. »Ich habe schließlich Pflichten. Und Verantwortung. Eine Frau. Drei Kinder. An sie sollte ich denken. Ich sollte mich zusammenreißen und froh und dankbar sein, daß meine Ehe und meine Karriere nicht darüber in die Brüche gegangen sind, daß ich die letzten elf Monate eine Beziehung zu einer Frau aufgebaut habe, die siebenundzwanzig Jahre jünger war als ich. In den tiefsten Tiefen meiner schmutzigen Seele sollte ich froh sein, daß Elena tot ist. Weil es nun keinen Skandal geben wird, kein Getuschel und Gekicher hinter meinem Rücken. Es ist aus und vorbei, und ich sollte jetzt einen Schlußstrich ziehen und die Geschichte vergessen. Das tun Männer in meinem Alter doch, wenn sie ihr männliches Ego mit einem kleinen Abenteuer aufpoliert haben, das mit der Zeit doch ein bißchen lästig wurde? Und eigentlich hätte es doch lästig werden müssen, nicht wahr, Inspector?«
    »Aber so war es nicht?«
    »Ich liebe sie. Ich kann nicht einmal sagen, ich habe sie geliebt, denn dann muß ich der Tatsache ins Auge sehen, daß sie tot ist, und ich kann den Gedanken nicht ertragen.«
    »Sie war schwanger. Wußten Sie das?«
    Herington schloß die Augen. Seine Wimpern warfen halbmondförmige Schatten auf seine Wangen. Das Licht aus der Deckenlampe glitzerte auf Tränen zwischen den Wimpern, die er offenbar unbedingt zurückhalten wollte. Er zog ein Taschentuch heraus. Als es ihm möglich war, sagte er: »Ja, ich habe es gewußt.«
    »Daraus hätten sich für Sie doch ernste Schwierigkeiten ergeben können, Dr. Herington.«
    »Sie sprechen von dem Skandal? Von dem Schaden für meine berufliche Laufbahn? Dem Verlust lebenslanger Freundschaften? Das alles war mir unwichtig. Mir war klar, daß mich praktisch alle verurteilen würden, wenn ich meine Familie wegen eines zwanzigjährigen Mädchens verlassen sollte. Aber je mehr ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir, daß mir das gleichgültig war. Das, was meinen Kollegen wichtig ist, Inspector - Prestigeposten, politischer Einfluß, akademisches Renommé, Einladungen zu Konferenzen und Tagungen, Aufforderungen, den Vorsitz dieses oder jenes Ausschusses zu übernehmen - alle diese Dinge haben für mich schon vor langer Zeit ihre Wichtigkeit verloren, als ich nämlich zu der Erkenntnis kam, daß das einzige, was im Leben Wert besitzt, die innige Beziehung zu einem anderen Menschen ist. Und dies hatte ich in Elena gefunden. Ich hätte sie niemals aufgegeben. Ich hätte alles getan, um sie zu halten. Elena.«
    Ihren Namen auszusprechen schien Herington ein Bedürfnis zu sein, eine Form der Erleichterung, die er sich seit ihrem Tod nicht erlaubt hatte.
    »Wann haben Sie Elena zuletzt gesehen?« fragte Lynley.
    »Sonntag abend, hier.«
    »Aber sie ist nicht die Nacht geblieben? Der Pförtner hat sie am Morgen in St. Stephen's gesehen, als sie laufen ging.«
    »Sie ist gegen - es muß kurz vor eins gewesen sein, als sie ging. Bevor hier die Pforte geschlossen wird.«
    »Und Sie? Sind Sie auch nach Hause gefahren?«
    »Nein. Ich bin geblieben. Ich übernachte in der Woche meistens hier. Seit gut zwei Jahren schon.«
    »Ah ja. Sie wohnen also nicht in der Stadt?«
    »In Trumpington.« Herington sah Lynleys Blick und sagte: »Ja, ich weiß, Inspector. Trumpington ist wirklich nicht so weit, daß man hier übernachten muß. Meine Gründe, abends nicht nach Hause zu fahren, hatten mit einer Entfernung ganz anderer Art zu tun. Anfangs jedenfalls. Vor Elena.«
    Heringtons Zigarette war im Aschenbecher verglüht. Er zündete sich eine frische an und goß sich noch Cognac ein. Er schien sich wieder ganz in der Hand zu haben.
    »Wann hat sie Ihnen gesagt, daß sie schwanger ist?«
    »Am Mittwoch abend, nicht lange nachdem sie das Testergebnis erfahren hatte.«
    »Hatte sie Ihnen vorher schon gesagt, daß sie einen derartigen Verdacht hatte?«
    »Nein, vor Mittwoch hatte sie nie etwas von einer Schwangerschaft erwähnt. Ich hatte keine Ahnung.«
    »Wußten Sie, daß sie

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