05 - Denn bitter ist der Tod
nach seiner schönen Ehefrau angespielt. Lynley aber war jetzt sicher, daß die Worte noch eine ganz andere Interpretation zuließen, von der Glyn Weaver wahrscheinlich keine Ahnung hatte, die jedoch der Wagen vor dem Haus bestätigte.
Daher kenne ich ihn. Eine Zeitlang waren wir einander sehr nahe.
Lynley trat an den Wagen heran. Er war abgesperrt. Und er war leer. Bis auf eine kleine, braun-weiße Pappschachtel, die halb offen auf dem Beifahrersitz lag. Lynley erschrak, als er sie sah. Sein Blick flog zum Haus, dann zurück zu der Schachtel und den drei roten Patronen, die zu sehen waren. Er rannte zum Bentley zurück.
»Was ist -?«
Ehe Barbara die Frage aussprechen konnte, schaltete er die Zündung aus und wandte sich St. James zu.
»Ein Stück weiter ist auf der linken Seite ein Pub«, sagte er. »Geh dahin. Ruf die Polizei in Cambridge an. Sag Sheehan, er soll sofort mit ein paar Leuten herkommen. Bewaffnet. Aber keine Sirenen und kein Blinklicht.«
»Inspector -«
»Anthony Weaver ist bei ihr«, sagte Lynley zu Barbara. »Er hat eine Schrotflinte bei sich.«
Sie sahen St. James nach, bis er im Nebel verschwunden war. Dann richteten sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf das Haus, das etwa zehn Meter von ihnen entfernt an der Hauptstraße stand.
»Was meinen Sie?« fragte Barbara.
»Daß wir nicht auf Sheehan warten können.« Sie blickten die Dorfstraße hinauf, auf der sie gekommen waren. Der alte Mann und sein Collie bogen eben um die Ecke. »Irgendwo hier muß es einen Fußweg geben, den sie am Montag morgen benutzt hat«, sagte Lynley. »Und wenn sie beim Verlassen des Hauses nicht gesehen werden wollte, wird sie wohl kaum vornherum gegangen sein. Also...« Er sah wieder die Straße hinauf. »Kommen Sie.«
Sie liefen den Weg zurück, den sie gerade gekommen waren. Aber sie hatten noch keine fünf Meter hinter sich, da hielt der alte Mann mit dem Hund sie auf. Er hob seinen Spazierstock und richtete ihn auf Lynleys Brust.
»Dienstag«, sagte er. »Sie waren am Dienstag schon mal hier. So was vergeß ich nicht so leicht, wissen Sie. Norman Davies. Hab noch gute Augen im Kopf.«
»Das hat gerade noch gefehlt«, murmelte Barbara.
Der Hund setzte sich neben Mr. Davies nieder, die Ohren gespitzt, freundliche Erwartung im Blick.
»Mr. Jeffries und ich...« mit einer Kopfbewegung zu dem Collie hinunter, der bei der Erwähnung seines Namens höflich grüßend zu nicken schien... »haben Sie eben vorbeifahren sehen. Diese Herrschaften waren schon einmal hier, Mr. Jeffries, hab ich gesagt. Und ich habe recht, nicht wahr? Ja, ja, so was vergeß ich so leicht nicht.«
»Wo ist der öffentliche Fußweg nach Cambridge?« fragte Lynley ohne Rücksicht auf Form und Höflichkeit.
Der alte Mann kratzte sich am Kopf. Der Collie kratzte sich am Ohr. »Der öffentliche Fußweg, hm? Sie wollen doch bei dem Nebel keinen Spaziergang machen. Ich weiß schon, was Sie denken: Wenn der Alte mit seinem Hund das kann, warum dann nicht auch wir? Aber wir sind nur der Not gehorchend unterwegs, verstehen Sie? Wenn Mr. Jeffries nicht sein Geschäft erledigen müßte, säßen wir hübsch warm und gemütlich im Haus.« Er wies mit seinem Stock zu einem kleinen reetgedeckten Haus auf der anderen Straßenseite. »Meistens sitzen wir beide vorn am Fenster. Auf der Hauptstraße ist doch wenigstens ab und zu was los, da gibt's mal was zu sehen, nicht wahr, Mr. Jeffries?« Der Hund hechelte zustimmend.
Lynley hätte den alten Mann am liebsten beim Revers seines Mantels gepackt und geschüttelt. »Der Fußweg nach Cambridge«, sagte er scharf.
Mr. Davies wippte in seinen Gummistiefeln auf und nieder. »Sie sind genau wie Sarah, hm? Die ist auch immer zu Fuß nach Cambridge gegangen. ›Ich hab meinen Verdauungsspaziergang schon gemacht‹, hat sie immer gesagt, wenn Mr. Jeffries und ich sie mal nachmittags abholen wollten. Und wenn ich dann gesagt hab: ›Sarah, wenn Sie so verrückt auf Cambridge sind, sollten Sie hinziehen‹, meinte sie immer: ›Das habe ich vor, Mr. Davies. Lassen Sie mir nur ein bißchen Zeit.‹« Er lachte leise vor sich hin. »Zwei-, dreimal die Woche... «
»Wo zum Teufel ist der Fußweg?« fuhr Barbara ihn an.
Der alte Mann erstarrte. Er wies die Straße hinaus. »Gleich da beim Broadway.«
Sie rannten sofort los, und er rief ihnen entrüstet hinterher: »Sie könnten wenigstens danke sagen. Keinem Menschen fällt es ein...«
Der Nebel verhüllte seine Gestalt und dämpfte seine Stimme, als sie um die
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