05 - Denn bitter ist der Tod
einzugehen.« Er gähnte wieder. »Ich gebe zu, ich bin drei-, viermal bei ehemaligen Schülerinnen schwach geworden, aber das war nach ihrem Abschluß. Da sind sie erwachsen und wissen, wo's langgeht. Ein nettes Wochenende und das war's. Man hat sich amüsiert - die Mädchen wahrscheinlich weit besser als ich - und man trennt sich wieder.«
Lynley entging nicht, daß Thorsson seine Frage nicht beantwortet hatte.
»Dozenten, die Affären mit Schulmädchen unterhalten«, fuhr Thorsson fort, »passen in einen Raster, Insepctor, der immer gleich ist. Wenn Sie jemanden suchen, der mit Elena eine Affäre hatte, dann sehen Sie sich nach einem Mann mittleren Alters um, verheiratet, unattraktiv, unglücklich und sträflich dumm.«
»Nach einem Mann also, der mit Ihnen nicht die geringste Ähnlichkeit hat«, sagte Barbara Havers.
Thorsson ignorierte sie. »Ich bin doch nicht verrückt. Ich habe keine Lust, mir Leben und Karriere zu ruinieren. Wenn man sich mit einer Studentin einläßt, reicht allein der Skandal aus, einen jahrelang unglücklich zu machen.«
»Wieso habe ich den Eindruck, daß ein Skandal Sie nicht im geringsten kümmern würde, Mr. Thorsson?« fragte Lynley.
Barbara fügte hinzu: »Haben Sie sie tatsächlich sexuell belästigt, Mr. Thorsson?«
Thorsson rollte sich auf die Seite. Er richtete den Blick auf Barbara Havers. Verachtung zog seinen Mundwinkel herab.
»Sie waren am Donnerstag abend bei ihr«, sagte Barbara. »Warum? Wollten Sie sie davon abhalten, ihre Drohung wahrzumachen? Ich kann mir nicht vorstellen, daß es Ihnen recht gewesen wäre, wenn sie Sie beim Rektor des College angeschwärzt hätte. Also, was hat sie Ihnen gesagt? Hatte sie sich bereits wegen sexueller Belästigung beschwert? Oder hofften Sie, sie noch daran hindern zu können?«
»Sie sind wirklich eine dumme Kuh«, sagte Thorsson geringschätzig.
Zorn schoß in Lynley hoch. Aber Barbara Havers, das sah er, reagierte gar nicht. Sie drehte gemächlich den Aschenbecher auf dem Tisch hin und her und studierte seinen Inhalt. Ihr Gesicht war ausdruckslos.
»Wo wohnen Sie, Mr. Thorsson?« fragte Lynley.
»In einer Seitenstraße der Fulbourn Road.«
»Sind Sie verheiratet?«
»Gott sei Dank, nein. Die Engländerinnen versetzen mich nicht gerade in Ekstase.«
»Leben Sie mit jemandem zusammen?«
»Nein.«
»Hat von Sonntag auf Montag jemand bei Ihnen übernachtet? War Montag morgen jemand bei Ihnen?«
Thorssons Blick huschte einen Moment weg. »Nein«, antwortete er, aber er war kein guter Lügner.
»Elena Weaver war in der Geländelauf-Mannschaft«, fuhr Lynley fort. »Haben Sie das gewußt?«
»Möglich. Ich erinnere mich nicht.«
»Sie ist jeden Morgen gelaufen. Haben Sie das gewußt?«
»Nein.«
»Sie hat Sie Lenny der Lustmolch genannt. Haben Sie das gewußt?«
»Nein.«
»Warum waren Sie am Donnerstag abend bei ihr?«
»Ich dachte, wir könnten uns einigen, wenn wir wie zwei Erwachsene miteinander sprächen. Ich mußte feststellen, daß das eine Illusion war.«
»Sie wußten also, daß sie sich wegen sexueller Belästigung über Sie beschweren wollte? Hat sie Ihnen das am Donnerstag abend gesagt?«
Thorsson lachte übertrieben. Er schwang die Beine über die Bettkante. »Jetzt verstehe ich. Sie sind zu spät dran, Inspector, falls Sie hier sein sollten, um ein Mordmotiv aufzuspüren. Hier gibt's nichts zu holen. Das kleine Luder hatte die Beschwerde über mich bereits eingereicht.«
»Er hat ein Motiv«, sagte Barbara. »Was passiert denn so einem Universitätsdozenten, wenn er beim Techtelmechtel mit einer hübschen Studentin erwischt wird?«
»Das hat er doch ziemlich deutlich gesagt. Mindestens wird er geächtet, schlimmstenfalls fliegt er. Die Universität ist ungeachtet ihrer politischen Richtung eine äußerst konservative Institution, was die Moral angeht. Man würde nicht dulden, daß ein Dozent sich mit einer Studentin einläßt, einer Abhängigen gewissermaßen.«
»Und warum sollte Thorsson etwas daraufgeben, was die anderen von ihm halten? Der braucht doch seine Kollegen nicht.«
»Doch, Havers, er braucht sie zumindest beruflich. Wenn seine Kollegen ihn ächten, sind seine Chancen auf eine Karriere hier in Cambridge dahin. Das wäre bei jedem Dozenten so, aber ich könnte mir denken, daß Thorssons Lage noch eine Spur heikler ist.«
»Wieso?«
»Ein Shakespeare-Experte, der nicht einmal Engländer ist? Hier? In Cambridge? Ich denke, er mußte sehr hart kämpfen, um das zu
Weitere Kostenlose Bücher