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05 - Denn bitter ist der Tod

05 - Denn bitter ist der Tod

Titel: 05 - Denn bitter ist der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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sein.«
    »Es?«
    »Das Talent, Inspector. Die Kreativität. Die Leidenschaft. Die Inspiration. Nennen Sie es, wie Sie wollen. Ich hatte Angst, es sei nichts mehr davon übrig. Es war eine furchtbare Beklemmung, die immer stärker geworden war. Deshalb hatte ich vor einigen Wochen den festen Entschluß gefaßt, jetzt endlich mit den Ablenkungsmanövern Schluß zu machen. Ich hatte mir vorgenommen, mich nicht mehr dauernd mit irgendwelchen Projekten hier im Haus zu beschäftigen - nur aus Angst vor der Niederlage -, sondern wieder an die Arbeit zu gehen. Den gestrigen Tag hatte ich mir als Stichtag gesetzt.« Als ahnte sie Lynleys nächste Frage, fuhr sie fort: »Ich habe ihn ganz willkürlich gewählt. Ich dachte mir, wenn ich ihn im Kalender markiere, bin ich gebunden; wenn ich das Datum im voraus festsetze, bin ich gezwungen, wieder anzufangen. Gleich voll einzusteigen. Das war mir sehr wichtig.«
    Wieder sah Lynley sich im Zimmer um, aufmerksamer diesmal, sein Augenmerk auf die Sammlung von Lithographien und Ölgemälden gerichtet. Ein Vergleich mit den Aquarellen, die er in Anthony Weavers Haus gesehen hatte, drängte sich auf. Sie waren hübscher gewesen, sauber ausgeführt, harmlos. Diese Bilder hier forderten heraus - in der Farbgebung und in der Gestaltung.
    »Das sind alles Ihre Arbeiten«, sagte er, eine Feststellung, keine Frage, denn es war klar, daß alle diese Bilder von derselben begabten Künstlerin stammten.
    Sie wies mit dem Kakaobecher auf eine der Wände. »Ja, das sind alles meine Arbeiten. Nicht eine davon aus jüngster Zeit.«
    Eine bessere Zeugin, sagte sich Lynley mit einer gewissen Genugtuung, hätte das Schicksal ihm nicht bescheren können. Wer malen wollte, mußte sehen können. Ohne zu sehen, konnte er nichts schaffen. Wenn es auf der Insel etwas zu sehen gegeben hatte, ein Objekt, das nicht dahin gehörte, einen Schatten, der der Beachtung wert gewesen war, dann hatte Sarah Gordon es gewiß gesehen. Er beugte sich vor und sagte: »Wie war die Stimmung auf der Insel? Erzählen Sie mir alles, woran Sie sich erinnern.«
    Sarah starrte ins Leere. »Es war neblig, sehr feucht. Von den Blättern an den Bäumen tropfte es. Die Schuppen, wo die Boote repariert werden, waren geschlossen. Die kleine Brücke war frisch gestrichen. Mir ist das wegen der neuen Farben aufgefallen. Sie reagierten ganz anders auf das Licht. Und es war...« Sie geriet ins Stocken. Ihr Gesicht war nachdenklich. »Beim Tor war es ziemlich matschig, und der Matsch war - aufgewühlt. Wie durchgepflügt.«
    »Als hätte man da einen Menschen durchgeschleift? Mit den Fersen am Boden?«
    ,»Ja, das könnte sein. Und auf dem Boden neben einem abgebrochenen Ast lagen Abfälle. Und...« Sie sah ihn an. »Ich glaube, ich habe auch die Überreste eines Feuers gesehen.«
    »Bei dem heruntergefallenen Ast?«
    »Davor, ja.« »Und was für Abfälle waren das auf dem Boden?«
    »Hauptsächlich Zigarettenschachteln. Ein paar Zeitungen. Eine große Weinflasche. Ein Plastikbeutel, glaube ich. Ja, ein orangeroter Plastikbeutel. Ich erinnere mich. Könnte es sein, daß dort jemand längere Zeit auf das Mädchen gewartet hat?«
    Lynley beantwortete die Frage nicht. »Sonst noch etwas?«
    »Die Lichter in der Kuppel vom Peterhouse College. Ich konnte sie auf der Insel sehen.«
    »Haben Sie vielleicht auch etwas gehört?«
    »Nichts Ungewöhnliches. Vögel. Einen Hund, glaube ich, irgendwo auf dem Fen. Es erschien mir alles völlig normal. Nur der Nebel war sehr dicht, aber das hat man Ihnen sicher schon gesagt.«
    »Vom Fluß haben Sie keine Geräusche gehört?«
    »Ein Boot, meinen Sie? Nein, tut mir leid.« Ihre Schultern sanken ein wenig herab. »Ich wollte, ich könnte Ihnen mehr sagen. Ich komme mir entsetzlich egozentrisch vor. Als ich auf der Insel war, dachte ich nur an meine Malerei. Und das ist das, was mich auch jetzt in erster Linie beschäftigt, um ehrlich zu sein.«
    »Ist es nicht ziemlich ungewöhnlich, bei Nebel in der freien Natur zu zeichnen?« fragte Barbara. Sie hatte die ganze Zeit konzentriert mitgeschrieben, jetzt jedoch blickte sie neugierig auf.
    Sarah widersprach nicht. »Doch, da haben Sie recht. Es ist im Grunde völlig verrückt. Und wenn es mir wirklich gelungen wäre, etwas zu Papier zu bringen, hätte es mit meiner sonstigen Arbeit wahrscheinlich kaum Ähnlichkeit gehabt, nicht?«
    Das stimmte. Abgesehen davon, daß Sarah Gordon ausschließlich mit kräftigen, reinen Farben arbeitete, waren alle ihre Gemälde

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