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05 - Denn bitter ist der Tod

05 - Denn bitter ist der Tod

Titel: 05 - Denn bitter ist der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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eselohrige Skizzenblöcke, Behälter mit Pastellpaste, eine große Rolle Leinwand, vielfältige Werkzeuge vom Palettenmesser bis zur Zange. Auf der Arbeitsplatte unter den Borden lag eine große Glasplatte mit aufgerauhter Oberfläche. Barbara berührte sie vorsichtig mit den Fingerspitzen und sah Sarah Gordon fragend an.
    »Da mahle ich meine Farben«, erklärte Sarah. »Dafür ist die Platte da.«
    »Sie sind also eine echte Puristin«, bemerkte Lynley.
    Sie lächelte, mit der gleichen Resignation, die er in ihrer Stimme gehört hatte. »Als ich zu malen angefangen habe - das ist mittlerweile Jahre her -, wollte ich, daß jeder Teil einer fertigen Arbeit ein Stück von mir ist. Ich wollte das ganze Gemälde sein. Ich habe sogar das Holz eigenhändig bearbeitet, auf das ich dann meine Leinwände aufgespannt habe. Ich wollte ganz rein sein.«
    »Und diese Reinheit ist Ihnen verlorengegangen?«
    »Der Erfolg beschmutzt alles. Auf lange Sicht.«
    »Und Sie hatten Erfolg.« Lynley trat zu der Wand, an der die großen Kohlezeichnungen hingen, eine über der anderen. Er blätterte sie durch. Ein Arm, eine Hand, die Linie eines Halses, ein Gesicht. Diese Frau war sehr begabt.
    »In gewisser Weise. Ja. Ich hatte Erfolg. Aber der Erfolg hat mir immer weniger bedeutet als die Gewißheit, mit mir selbst im reinen zu sein. Und das habe ich im Grunde gestern morgen gesucht - die innere Ruhe.«
    »Und dann haben Sie Elena Weaver gefunden«, bemerkte Barbara.
    Sarah Gordon, die vor einem verhüllten Gemälde stand, sagte, ohne sich umzudrehen: »Elena Weaver?« Ihr Ton hatte etwas Ungläubiges.
    »Die Tote«, erklärte Lynley. »Elena Weaver. Haben Sie sie gekannt?«
    Sie drehte sich herum. Ihre Lippen bewegten sich lautlos. Schließlich flüsterte sie: »O Gott, nein.«
    »Miss Gordon?«
    »Ich - ich kenne ihren Vater. Anthony Weaver.« Sie tastete nach dem hohen Hocker neben der Staffelei und setzte sich darauf. »Ach Gott«, sagte sie leise. »Mein armer Tony.« Wie um eine Frage zu beantworten, die niemand gestellt hatte, fügte sie mit einer das Atelier umschließenden Geste hinzu: »Er war ein Schüler von mir. Bis zum letzten Frühjahr, als das Taktieren um den Penford-Lehrstuhl losging, war er mein Schüler.«
    »Ihr Schüler?«
    »Ja, ich habe mehrere Jahre lang Unterricht gegeben. Jetzt tue ich das nicht mehr, aber Tony... Dr. Weaver hat in den vergangenen Jahren an den meisten meiner Kurse teilgenommen. Er hatte auch Einzelunterricht bei mir. Daher kenne ich ihn. Eine Zeitlang waren wir einander sehr nahe.« Ihre Augen wurden feucht. Sie zwinkerte die Tränen hastig weg.
    »Und kannten Sie seine Tochter?«
    »Flüchtig, ja. Ich bin ihr mehrmals begegnet - im letzten Herbst - da brachte er sie als Modell für eine Zeichenklasse mit.«
    »Aber gestern haben Sie sie nicht erkannt?«
    »Nein. Wie hätte ich sie erkennen sollen? Ich hab ja ihr Gesicht gar nicht gesehen.« Sie senkte den Kopf, hob schnell eine Hand und strich sich hastig über die Augen. »Wie schrecklich für ihn. Sie war ihm alles. Haben Sie schon mit ihm gesprochen? Ist er -? Aber ja, natürlich haben Sie mit ihm gesprochen. Was für eine Frage!« Sie hob den Kopf.
    »Wie geht es ihm?«
    »Der Tod eines Kindes ist immer schrecklich.«
    »Aber Elena war ihm mehr als ein Kind. Er sagte immer, sie sei seine Hoffnung auf Erlösung.« Ihr Gesicht bekam einen Ausdruck der Selbstverachtung. »Und ich - die arme kleine Sarah - zerbreche mir den Kopf darüber, ob ich je wieder zeichnen, je wieder ein Kunstwerk zustande bringen werde, während Tony... Wie kann ein Mensch so selbstsüchtig sein!«
    »Aber es kann Ihnen doch keiner übelnehmen, daß Sie wieder zu Ihrer Arbeit finden wollen.«
    Es war, dachte er, ein durchaus verständliches Begehren. Aber während er ihr ins Wohnzimmer folgte, wurde er sich seiner diffusen Beunruhigung bewußt, ähnlich der, die er angesichts von Anthony Weavers Reaktion auf den Tod seiner Tochter gespürt hatte. Es war etwas an ihr, an ihrem Verhalten und ihren Worten, das ihn stutzig machte. Er konnte den Finger nicht darauflegen, aber er spürte intuitiv, daß da etwas war, einer allzu lang im voraus geplanten Reaktion ähnlich. Einen Augenblick später gab sie selbst ihm die Antwort.
    Als sie ihnen die Tür öffnete, sprang Flame aus seinem Korb und raste kläffend durch den Flur, um nach draußen zu gelangen. Sarah bückte sich, um ihn zu packen, und dabei glitt ihr das Handtuch vom Kopf. Feuchtes lockiges Haar, dunkel wie

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