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05 - Der Conquistador

05 - Der Conquistador

Titel: 05 - Der Conquistador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Weinland
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Leben geschenkt, wie könnten wir es dir dann nehmen?«
    Die Erklärung hätte Diego beruhigen sollen. Aber unter Xocs Blicken fühlte er sich nackt und klein. Sein Herz schlug so hart, als würde gegen die Rippen klopfen.
    »Was geschieht dann mit mir?«
    »Du wirst mich von nun an öfter besuchen. Ich will, dass du mir von deiner Heimat erzählst. Ich will alles über sie und die Menschen dort wissen.«
    »Und ich alles über die Menschen hier«, sagte Diego in demütigem Ton. »Ich bitte Euch, erlaubt mir, dass ich mich frei in der Stadt bewegen darf. Ich werde keinen Fluchtversuch mehr unternehmen, ich verspreche es.« Er hob die Hand, als würde er einen Eid vor einem Gericht der spanischen Krone leisten.
    »Du kannst Chel zum Weib nehmen, sie hat noch keinen Mann«, sagte der Kazike. »So wirst du einer von uns.«
    Diesmal erschrak Diego bis ins Mark. »D-das kann ich nicht! Es ehrt mich, aber es ist unmöglich!«
    »Warum?« Die Züge des Kaziken verhärteten sich.
    »Mein … mein Glaube gestattet es mir nicht, mir ein Weib zu nehmen und … und das Lager mit ihr zu teilen.« Zu gut es ihm möglich war, versuchte Diego dem Kaziken zu erklären, dass nach seiner Religion ein Mönch keusch zu leben hatte.
    Doch Xoc blieb unerbittlich. »Hat der ›eine‹ Gott, von dem du redest, dich vor dem Pfeil bewahrt?«
    »N-nein.«
    »Hat dein Gott deinen Freund davor bewahrt, geköpft zu werden?«
    Wieder schüttelte Diego, jetzt kreidebleich und bebend, den Kopf.
    »Dann solltest du ihm abschwören. Wende dich den Göttern zu, die dich in ihre Obhut nahmen. Ihnen verdankst du alles!«
    Aus Xocs Mund klang das so selbstverständlich, dass Diego den Landa der Versuchung, das Angebot anzunehmen, einen Moment lang kaum widerstehen konnte. Er erwartete, dass der Allmächtige ihn für diesen Frevel mit einem Blitz erschlagen würde … aber nichts geschah.
    »Ich … ich denke darüber nach.«
    Xoc schüttelte den Kopf. »Es ist entschieden. Geh jetzt zu Chel. Die Zeremonie findet morgen statt.«
    3.
    4. Marzo 1517. Endlich lassen die Ereignisse es zu, die Niederschrift fortzusetzen. Die Tage davor wütete ein Sturm und machte unsere drei Schiffe zu Spielbällen der Elemente. Kaum einer glaubte noch dem Tode entrinnen zu können, auch ich nicht. Und ohne das Einschreiten des Weißen Ritters hätten sich die Schiffe wohl gegenseitig zerrieben und zum Kentern gebracht.
    Dass es anders kam, bezeugen diese Zeilen. Aber wie genau die Rettung vonstattenging, weiß weder ich, noch wissen es meine Kapitäne und Steuermänner. Die Schäden, nachdem das Unwetter endlich abflaute, sind geringer, als zu befürchten war. Und auch das verdanken wir nur dem Beistand jenes Geistes, der im schlimmsten Orkan mal auf diesem, mal auf jenem Schiff erschien und den Ruderleuten Anweisungen gab, die diese vor Schreck oder Ehrfurcht befolgten und so die Schiffe vor dem Kentern bewahrten.
    Wie durch ein Wunder haben wir keinen einzigen Mann verloren. Am Morgen nach dem letzten Toben fanden wir uns unverhofft in Sichtweite einer Küste wieder, und mir erschien abermals der Weiße Ritter, um mich wissen zu lassen, dass genau dort der geheime Auftrag meiner harrte.
    Ich gestehe, dass ich oft mit mir haderte während der Überfahrt. Ich hielt mich stets für einen gottgläubigen Menschen. Umso ärger macht mir die Versuchung, die mir der Ritter versprach, zu schaffen. Die Unsterblichkeit ist mehr Last als Ansporn, in mancher Nacht fühle ich mich davon fast erdrückt. In meinen Träumen verwandelt sich der Weiße Ritter nicht selten in eine bocksbeinige Kreatur.
    Doch das ist nur die eine Seite der Medaille.
    Die andere ist Hoffnung! Hoffnung, die mich an den Versprechungen festhalten lassen und nach wie vor die Bereitschaft in mir lodern lässt, all seine Wünsche zu erfüllen.
    Wer auch immer er ist – Engel oder Satan – ich bin nur ein schwacher Mensch. Ich fürchte den Tod, seit ich ein kleines Kind war. Ich habe immer davon geträumt, ihn mir vom Leibe zu halten. Es ist fast, als hätte der Weiße Ritter dies gewusst. Als würde er die Wunde kennen, in die er den Finger legen musste …
    Aber es ist müßig, jetzt schon darüber nachzusinnen, was rechtens ist und was nicht. Erst gilt es die Voraussetzungen zu schaffen, dass ich meinen Lohn empfangen kann. Und so hängt alles davon ab, das Ziel zu erreichen.
    Nachdem die gröbsten Reparaturarbeiten beendet waren, segelten wir entlang der fremden Küste, die uns mit Überraschungen verwöhnte.

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