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05 - Der Conquistador

05 - Der Conquistador

Titel: 05 - Der Conquistador Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Weinland
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ignorieren. Er musste sich wieder hinlegen, weil ihm schwarz vor Augen wurde.
    Nach einer Weile wandte er sich erneut an Juan. Außer dem vollbärtigen Seemann scherte sich keiner der Schiffbrüchigen um ihn. Die Hitze der vom wolkenlosen Himmel herabbrennenden Sonne dörrte sie alle aus. »Wie lange … war ich nicht … bei mir?«
    »Der Überfall liegt drei Tage zurück.«
    Diego erschrak. »Ich war drei Tage …?«
    »Drei volle Tage, ja. Und es kam niemand in dieser Zeit, um sich deine Verletzung anzusehen.«
    »Warum haben sie mich … nicht gleich getötet?«
    »Woher soll ich das wissen? Sie haben’s nicht getan und damit basta.«
    »Du sagtest, sie hätten zwei von uns … geholt. Was bedeutet das?«
    »Massakriert«, sagte Juan. »Was dachtest du? Sie haben sie vor unseren Augen unter wüsten Tänzen und Gesängen getötet. Am Ende schnitten sie ihnen bei lebendigem Leib das Herz aus der Brust.«
    Vor Entsetzen verlor Diego beinahe wieder das Bewusstsein. »Bei lebendigem …« Den Rest brachte er nicht über die Lippen.
    »Sie holen jeden Tag einen. Kann sein, dass es heute mich erwischt. Die Chancen stehen sechs zu eins.«
    Diego wusste, was Juan damit sagen wollte. So wenige waren sie noch?
    Für eine Weile versank er in dumpfem Brüten. Die stumme Zwiesprache mit dem Allmächtigen schürte jedoch eher die Ängste, als dass sie ihn beruhigt hätten.
    »Aber falls ich diesmal noch Glück habe«, fuhr Juan mit einem Mal fort, »sollten wir es versuchen, was meinst du, Padre? Vielleicht hält der Herr ja seine schützende Hand über dich.«
    »Wovon redest du?«
    »Von Flucht«, sagte Juan düster. »Wovon sonst?«
    ***
    Als die Dämmerung hereinbrach, tauchten unheimliche Gestalten auf und nahmen Aufstellung vor den Käfigen. Kein Zweifel: Sie suchten sich das nächste Opfer aus. Als sie zu einer Entscheidung gelangt waren, traten zwei vor, um den Erwählten aus seinem beengten Gefängnis zu holen. Der Unglückliche, dessen Name dem Mönch entfallen war, wehrte sich mit Händen und Füßen, konnte sich aber seinen Gegnern nicht lange widersetzen.
    Diego musste mit ansehen, wie das ehemalige Besatzungsmitglied der Santa Maria zu einem altarähnlichen Stein geschleppt und daran festgebunden wurde.
    Die anschließende Zeremonie zog sich über viele Stunden bis spät in die Nacht hin. Diego litt mit dem bedauernswerten Opfer, dessen langsames Sterben gar nicht enden wollte. Am Ende wirkte es wie eine Erlösung, als der Obsidiandolch des Priesters den Brustkorb des Mannes aufschlitzte. Er griff mit beiden Händen in den geöffneten Körper und förderte das noch schlagende Herz zutage.
    Obwohl Diego sich dagegen wehrte, verspürte er einen kaum bezähmbaren Hass auf die Wilden, die ihren heidnischen Göttern huldigten.
    Als sich die Teilnehmer der Zeremonie verstreuten, trat unversehens eine junge Frau an Diegos Käfig und schob einen vollen Krug mit Wasser zwischen den Gitterstäben hindurch.
    Im ersten Moment glaubte Diego an eine Wahnvorstellung, doch als das Mädchen gegangen war, zischte Juan: »Worauf wartest du? Trink!«
    Diego misstraute dem Krug, bis er ihn an die Lippen gesetzt hatte und kühles Nass wie flüssiges Manna seine Kehle hinabrann. Es ist wahr, dachte er. Es ist tatsächlich wahr, kein Trugbild … Mit jedem Schluck fühlte er, wie er wieder zu Kräften kam.
    Die Frage blieb: Warum? Warum hatte sich tagelang niemand um ihn gekümmert und jetzt plötzlich doch? Wollte man ihn aufpäppeln, um ihn später dem gleichen Schicksal zuzuführen wie dem Opfer dieser Nacht?
    Er betete zum gestrengen Gott des Alten Testaments und fiel bald darauf, wund an Leib und Seele, in einen tiefen Erschöpfungsschlaf …
    … aus dem er noch vor Sonnenaufgang wieder geweckt wurde.
    »Es ist so weit«, flüsterte Juans raue Stimme dicht an seinem Ohr. »Entscheide dich, ob du mitkommen oder dich lieber ausnehmen lassen willst wie Schlachtvieh!«
    Diego lauschte in sich hinein. Die Schwäche war zurückgekehrt. Ein paar Schlucke Wasser hatten keine Wunder gewirkt. Seine Haut brannte, wo immer sie nicht von Stoff bedeckt war. Die Tage in sengender Sonne hatten die bloßliegenden Stellen verbrannt.
    Und dennoch – Juans Auftauchen erschien dem Mönch wie ein Zeichen des Allmächtigen. Wie ein Angebot, das er nicht ablehnen durfte.
    »Juan … Wie bist du dem Käfig entkommen?«
    Die im Schimmer der Sterne schemenhafte Gestalt winkte ab. »Später! Antworte mir: Ja oder nein?«
    »Ja!«
    Juan hantierte an

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