05 - Der Conquistador
verschwand.
»Keine Ahnung. Und ehrlich gesagt interessiert es mich auch ni–«
»Fahr mal da rein.« Tom wies in die Seitenstraße, aus der die Horde gekommen war. »Ist nur so ein Gefühl, dass es mit Alejandro zusammenhängen könnte.«
»Mit Jandro?« Sie runzelte die Stirn, lenkte den Ford Mondeo aber in die Seitenstraße.
Auf der Parkfläche vor einem Getränkeladen scharten sich mehrere Personen, zu denen auch Alejandro gehörte. Ein aufgebracht gestikulierender Mann mit Halbglatze und Schnauzbart hatte den Jungen am Schlafittchen und schüttelte ihn.
Maria Luisa stieß ein kurzes Dankesgebet aus uns steuerte auf den Ort des Geschehens zu. Doch noch bevor sie bei Alejandro ankamen, schoss von vorne ein Streifenwagen heran. Maria Luisa bremste geistesgegenwärtig ab und lenkte den Ford rechts an den Straßenrand.
Niemand schenkte ihnen Beachtung. Der Streifenwagen war von Menschen umringt, noch während er ausrollte. Als er zum Stehen gekommen war, öffneten sich die Türen auf Fahrer- und Beifahrerseite und zwei Polizisten stiegen aus. Einer ging schnurstracks auf den Schnauzbärtigen und den Jungen zu, der andere stellte sich den wild durcheinanderredenden Männern und Frauen, bei denen es sich überwiegend um Kundschaft des Getränkemarktes zu handeln schien.
»Was hast du vor?«, fragte Tom und legte Maria Luisa die Hand auf die Schulter, als sie die Wagentür aufhebelte.
»Das fragst du noch? Du siehst doch, was los ist!«
Tom drückte sie in den Sitz zurück. »Großer Fehler. Du vergisst, dass wir auf der Fahndungsliste stehen. Spätestens wenn sie über Funk eine Fahrzeugüberprüfung machen, sind wir geliefert.«
Sie fauchte wie eine Katze, die ihr Junges verteidigte. »Ist mir egal.«
»Mir nicht.«
»Dann bleib du hier. Ich schaff das schon, und zwar ganz allein.« Sie stieg aus. »Notfalls lasse ich meinen Charme spielen.«
»Was meinst du damit? Es sind Polizisten.«
»Es sind Männer. Noch besser: spanische Männer. Lass mich einfach machen.«
Er hatte gar keine Wahl. Maria Luisa stolzierte bereits der Stelle entgegen, wo der Schnauzbärtige Alejandro am Kragen gepackt hatte. Durch das immer noch offene Seitenfenster konnte Tom jedes Wort verstehen.
Maria Luisas Auftritt war oscarreif.
***
»Alejandro! Madre mio!«
Alle Augen richteten sich auf Maria Luisa, die ihre die Hände über dem Kopf zusammenschlug, ohne dass es theatralisch wirkte. »Ich habe mir solche Sorgen gemacht! Danke, vielen Dank, Señor, dass sie meinen Bruder festgehalten haben. Ich dachte schon, ich würde ihn nie mehr wieder finden!«
Alejandro wollte ihr entgegeneilen, als er sie erkannte, aber der Griff des Schnauzbärtigen blieb eisern und unerbittlich. »Das Früchtchen ist Ihr Bruder?« Der Kerl verzog abfällig das Gesicht.
»Lassen Sie ihn sofort los!« Maria Luisa baute sich vor dem groben Klotz auf.
»Beruhigen Sie sich«, sagte der Polizist an sie gewandt. »Offenbar gehört Ihr Bruder zu einer Bande, die gerade den Laden überfallen hat.«
Maria Luisa sah, wie der Ladenbesitzer mit etwas winkte – eine Flasche Hochprozentiges. »Die hier hat sich Ihr feiner Bruder unter den Nagel gerissen.«
Maria Luisa schüttelte ungläubig den Kopf. Sie brauchte Alejandro nicht einmal anzusehen, um zu wissen, dass das nicht stimmen konnte. »So etwas tut er nicht.«
»Ach? Und wie kam die Flasche in seine Hände?« Der Schnauzbärtige wollte sich wieder in Fahrt reden, aber der Polizist bremste ihn.
An Maria Luisa gewandt, sagte er: »Geben Sie mir bitte Ihren Ausweis. Und am besten den Ihres Bruders auch gleich.«
Alejandros Atem war schon die ganze Zeit allmählich lauter geworden, ohne dass Maria Luisa in der Aufregung darauf geachtet hatte. Jetzt fing er an zu husten. Hart und offenbar so schmerzhaft, dass er sich unter dem Griff des Ladenbesitzers krümmte.
»Lassen Sie ihn bitte los, es geht ihm nicht gut. Er hat Asthma. Er braucht …« Maria Luisa zog den Inhalator aus ihrer Tasche.
Der Ladenbesitzer lachte verächtlich. Offenbar glaubte er, dass Alejandro ihm etwas vorspielte.
»Ist das wahr?«, fragte der Polizist.
»Meinen Sie, ich würde mit so etwas scherzen?«
Alejandro steigerte sich immer heftiger in seine Atemnot. Selbst der Schnauzbärtige musste einsehen, dass hier nichts gespielt war. Er ließ Alejandro los und trat einen Schritt von ihm weg. Maria Luisa war sofort bei ihm. »Hier …« Sie reichte ihm nicht nur den Inhalator, sondern führte das Ventil in Alejandros Mund
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