05 - Der Schatz im Silbersee
vor, als ich essen kann, und steckt mir, wenn ich gehe, auch noch die Taschen voll. Vor den Indianern brauche ich mich nicht zu fürchten, weil ich als Medizinmann bei ihnen für heilig und unantastbar gelte. Schlagt ein! Wollt Ihr mein Famulus sein?“
„Hm!“ brummte Haller, indem er sich hinter dem Ohr kratzte. „Die Sache kommt mir bedenklich vor. Es ist keine Ehrlichkeit dabei.“
„Macht Euch nicht lächerlich! Der Glaube tut alles. Meine Patienten glauben an die Wirkung meiner Medizin und werden gesund davon. Ist das Betrug? Versucht es wenigstens zunächst einmal! Ihr habt Euch jetzt gestärkt, und da die Farm, nach der ich will, auf Eurem Weg liegt, so habt Ihr keinen Schaden davon.“
„Nun, versuchen will ich es schon aus Dankbarkeit; aber ich habe kein Geschick, den Leuten etwas weiß zu machen.“
„Ist gar nicht nötig; das besorge ich schon selbst. Ihr habt ehrfurchtsvoll zu schweigen, und Eure ganz Arbeit besteht darin, diejenige Phiole aus dem Kasten zu langen, welche ich Euch bezeichne. Freilich müßt Ihr es Euch gefallen lassen, daß ich Euch dabei Du nenne. Also vorwärts! Brechen wir auf!“
Er hing sich den Kasten wieder um, und dann schritten sie miteinander der Farm entgegen. Nach kaum einer halben Stunde sahen sie dieselbe von weitem liegen; sie schien nicht groß zu sein. Nun mußte Haller den Kasten tragen, da sich das nicht für den Prinzipal Doktor und Magister schickte.
Das Hauptgebäude der Farm war aus Holz gebaut; neben und hinter demselben lag ein wohlgepflegter Baum- und Gemüsegarten. Die Wirtschaftsgebäude standen in einiger Entfernung von diesem Wohnhaus. Vor demselben waren drei Pferde angebunden, ein sicheres Zeichen, daß sich Fremde hier befanden. Diese saßen in der Wohnstube und tranken Hausbier, welches der Farmer selbst gebraut hatte. Die Fremden waren allein, da sich nur die Farmersfrau daheim befand und jetzt in dem kleinen Stall war. Sie sahen den Quacksalber mit seinem Famulus kommen.
„Thunder-storm!“ rief der eine von ihnen. „Sehe ich recht? Den muß ich kennen! Wenn mich nicht alles trügt, so ist das Hartley, der Musikant mit der Harmonika!“
„Ein Bekannter von dir?“ fragte der zweite. „Hast du etwas mit ihm gehabt?“
„Freilich. Der Kerl hatte gute Geschäfte gemacht und die Taschen voller Dollars. Natürlich machte ich ebenso gute Geschäfte, indem ich sie ihm des Nachts leerte.“
„Weiß er, daß du es gewesen bist?“
„Hm, wahrscheinlich. Wie gut, daß ich meine roten Haare gestern schwarz gefärbt habe! Nennt mich ja nicht Brinkley und auch nicht Cornel! Der Kerl könnte uns einen Strich durch die Rechnung machen!“
Aus diesen Worten ging hervor, daß dieser Mann der rote Cornel war.
Die beiden Ankömmlinge hatten jetzt das Haus erreicht, gerade als die Farmersfrau aus dem Stall kam. Sie begrüßte dieselben freundlich und fragte nach ihrem Begehr. Als sie hörte, daß sie einen Arzt und dessen Famulus vor sich habe, zeigte sie sich sehr erfreut und ersuchte sie, in die Stube zu treten, die sie öffnete.
„Mesch'schurs“, rief sie hinein, „da kommt ein hochgelehrter Arzt mit seinem Apotheker. Ich denke, daß euch die Gesellschaft dieser Herren nicht unangenehm sein wird.“
„Hochgelehrter Arzt?“ brummte der Cornel vor sich hin. „Unverschämter Kerl! Möchte ihm zeigen, was ich von ihm denke!“
Die Eintretenden grüßten, und nahmen ohne Umstände an dem Tisch Platz. Der Cornel bemerkte zu seiner Genugtuung, daß er von Hartley nicht erkannt wurde. Er gab sich für einen Fallensteller aus und sagte, daß er mit seinen beiden Gefährten hinauf in die Berge wolle. Dann entspann sich ein Gespräch, währenddessen die Wirtin am Herdfeuer beschäftigt war. Über demselben hing ein Kessel, in welchem das Mittagessen kochte. Als dasselbe fertig war, trat sie vor das Haus und stieß nach der Sitte jener Gegenden in das Horn, um die Ihrigen herbeizurufen.
Diese kamen von den naheliegenden Feldern. Es war der Farmer, ein Sohn, eine Tochter und ein Knecht. Sie reichten den Gästen, besonders dem Arzt, mit aufrichtiger Freundlichkeit die Hand und setzten sich dann zu ihnen, um das Mahl, vor und nach welchem gebetet wurde, einzunehmen. Es waren einfache, unbefangene, fromme Leute, welche gegen die Smartneß eines richtigen Yankees freilich nicht aufzukommen vermochten.
Während des Essens verhielt sich der Farmer vollständig einsilbig; nach demselben brannte er sich eine Pfeife an, legte die Ellbogen auf den Tisch
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