05 - Der Schatz im Silbersee
Dann betastete er jeden Zoll breit des Anzuges, um zu fühlen, ob vielleicht etwas eingenäht sei. Das war ohne Erfolg. Nun glaubte Hartley, der Gefahr entgangen zu sein, aber der Cornel war schlau. Er ließ den Kasten öffnen und betrachtete denselben genau.
„Hm!“ meine er. „Diese sammtene Apotheke ist so tief, daß die Fächer nicht bis auf den Boden reichen. Wollen doch einmal versuchen, ob sie sich nicht herausnehmen lassen.“
Hartley erbleichte, denn der Gauner befand sich auf der richtigen Spur. Der letztere faßte mit beiden Händen an den Zwischenwänden der Fächer und zog – richtig, die Apotheke ließ sich aus dem Kasten heben, und unter ihr lagen mehrere Papiercouverte neben- und übereinander. Als er sie öffnete, sah er sie mit Banknoten verschiedenen Wertes gefüllt.
„Ah, hier ist der verborgene Schatz zu heben“, lachte er vergnügt. „Habe es mir gedacht! Ein Physician und Farrier verdient ein Heidengeld; es mußte also welches vorhanden sein.“
Er griff zu, um die Kuverts einzustecken. Das versetzte den Yankee in die größte Wut. Er warf sich auf ihn, um ihm das Geld zu entreißen. Da krachte ein Schuß. Die Kugel hätte ihn gewiß durchbohrt, wenn er sich nicht gerade in schneller Bewegung befunden hätte; so traf sie nur den Oberarm, dessen Knochen sie zerschmetterte. Einen Schrei ausstoßend, sank der Verwundete in das Gras.
„Recht so, Halunke!“ rief der Cornel. „Stehe wieder auf, oder sage nur ein falsches Wort, so trifft dich die zweite Kugel besser als die erste. Nun wollen wir auch den Master Famulus untersuchen.“
Er schob die Kuverts in seine Tasche und trat zu Haller.
„Ich bin nicht sein Famulus; ich habe ihn erst kurz vor der Farm getroffen“, erklärte dieser ängstlich.
„So? Wer oder was seid Ihr denn?“
Haller beantwortete diese Frage der Wahrheit gemäß. Er gab dem Cornel sogar den Empfehlungsbrief zu lesen, um die Wahrheit seiner Aussage zu beweisen. Dieser nahm Kenntnis von dem Inhalt des Schreibens, gab ihm dasselbe zurück und sagte verächtlich: „Ich glaube Euch. Wer Euch ansieht, der muß gleich beim ersten Blick bemerken, daß Ihr ein gutehrlicher Kerl seid, der aber das Pulver nicht erfunden hat. Lauft immerhin nach Sheridan; ich habe nichts mit Euch zu schaffen.“ Und sich wieder an den Yankee wendend fuhr er fort: „Ich sprach von unserem Anteil; da du uns aber belogen hast, so kannst du dich nicht darüber beklagen, daß wir dir das Ganze abnehmen. Gib dir Mühe, auch weiterhin gute Geschäfte zu machen. Wenn wir dich dann wieder treffen, werden wir genauer teilen.“
Hartley hatte erkannt, daß Widerstand vergeblich sei. Er gab gute Worte, um wenigstens einen Teil seines Geldes zurückzuerhalten, hatte jedoch nur den Erfolg, daß er ausgelacht wurde. Der Cornel stieg wieder zu Pferd und ritt mit seinen Gefährten und dem Raub davon, nach Norden zu, dadurch beweisend, daß er kein Trapper sei und es gar nicht in seiner Absicht gelegen habe, sich westwärts in die Berge zu wenden.
Unterwegs besprachen und belachten die Strolche das gehabte Abenteuer und kamen überein, das Geld zu teilen, ohne ihren Genossen davon zu erzählen. Als sie nach längerer Zeit einen passenden Ort fanden, von welchem aus die ganze Gegend zu übersehen war und sie also weder gestört noch beobachtet werden konnten, stiegen sie ab, um den Raub zu zählen. Als dann jeder seinen Anteil zu sich gesteckt hatte, meinte einer der beiden Tramps zu dem Cornel: „Du hättest den andern auch durchsuchen sollen. Es sollte mich wundern, wenn er ohne Geld gewesen wäre.“
„Pshaw! Was kann man bei einem armen Schreiber finden! Einige Dollars höchstens und das lohnt die Mühe nicht.“
„Es fragt sich, ob er die Wahrheit gesagt hat und wirklich ein Schreiber war. Was stand in dem Brief, den er dir zeigte?“
„Es war ein Empfehlungsschreiben an den Ingenieur Charoy in Sheridan.“
„Was? Wirklich?“ fuhr der Mann auf. „Und das hast du ihm wiedergegeben!“
„Ja. Was hätte dieser Wisch uns nützen können?“
„Viel, sehr viel! Und das fragst du noch? Es liegt doch klar auf der Hand, daß dieser Brief der Ausführung unsres Planes ungeheuer förderlich hätte sein müssen. Es ist geradezu wunderbar, daß du das nicht einsiehst und nicht darauf gekommen bist. Wir haben unsre Leute zurückgelassen, um uns zunächst die Gelegenheit heimlich zu betrachten. Wir müssen die Örtlichkeit kennenlernen und auch die Kassenverhältnisse, das ist um so
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