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05 - Der Schatz im Silbersee

05 - Der Schatz im Silbersee

Titel: 05 - Der Schatz im Silbersee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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befriedigt wohl?“
    „Ich bin wie neugeboren, Sir. Denkt Euch, ich bin seit drei Tagen unterwegs, ohne einen Bissen zu essen.“
    „Ist das denkbar! Von Kinsley bis hierher habt Ihr nichts gegessen? Warum? Konntet Ihr Euch denn nicht Proviant mitnehmen?“
    „Nein. Meine Abreise ging zu plötzlich vor sich.“
    „Oder unterwegs einkehren?“
    „Ich habe die Farm vermeiden müssen.“
    „Ah so! Aber Ihr habt ein Gewehr bei Euch; da konnte ich Euch doch ein Wild schießen!“
    „O, Sir, ich bin kein Schütze. Ich treffe eher den Mond als einen Hund, der gerade vor mir sitzt.“
    „Wozu dann aber das Gewehr?“
    „Um etwaige rote oder weiße Vagabunden abzuschrecken.“
    Der Yankee sah ihn forschend an und meinte dann: „Hört, Master, bei Euch ist irgend etwas nicht in Ordnung. Ich scheint Euch auf der Flucht zu befinden und doch ein höchst ungefährliches Subjekt zu sein. Wo wollt Ihr denn eigentlich hin?“
    „Nach Sheridan an die Eisenbahn.“
    „So weit noch, und ohne Lebens- und Existenzmittel! Da könnt Ihr leicht Schiffbruch erleiden. Ich bin Euch unbekannt, aber wenn man sich in der Not befindet, so ist es gut, Vertrauen zu fassen. Sagt mir also, wo Euch der Schuh drückt. Vielleicht kann ich Euch helfen.“
    „Das ist bald gesagt. Ihr seid nicht aus Kinsley, sonst müßte ich Euch kennen, und könnt also nicht zu meinen Feinden gehören. Ich heiße Haller; meine Eltern waren Deutsche. Sie kamen aus dem alten Land herüber, um es zu etwas zu bringen, kamen aber nicht vorwärts. Auch mir haben keine Rosen geblüht. Ich habe mancherlei gemacht und gearbeitet, bis ich vor zwei Jahren Bahnschreiber wurde. Zuletzt war ich in Kinsley angestellt. Sir, ich bin ein Kerl, der keinen Wurm treten kann, aber wenn man allzusehr beleidigt wird, so läuft endlich die Galle über. Ich bekam mit dem dortigen Redakteur einen Streit, auf welchen ein Duell folgte. Denkt Euch, ein Duell auf Flinten! Und ich habe niemals im Leben so ein Mordwerkzeug in den Händen gehabt! Ein Duell auf Flinten, dreißig Schritt Distanz! Es wurde mir gelb und blau vor den Augen, als ich es nur hörte. Ich will es kurz machen: die Stunde kam, und wir stellten uns auf. Sir, denkt von mir, was Ihr wollt, aber ich bin ein friedfertiger Mann und mag kein Mörder sein. Schon bei dem Gedanken, daß ich den Gegner töten könnte, überlief mich eine Gänsehaut, welche so scharf wie ein Reibeisen war. Darum zielte ich, als kommandiert wurde, mehrere Ellen weit daneben. Ich drückte ab, er auch. Die Schüsse gingen los – denkt Euch, ich war nicht getroffen, aber meine Kugel war ihm gerade durch das Herz gegangen. Die Flinte, die gar nicht mir gehörte, festhaltend, rannte ich entsetzt fort. Ich behaupte, daß der Lauf krumm ist; die Kugel geht volle drei Ellen zu weit nach links. Was aber das Schlimmste war, der Redakteur hatte einen zahl- und einflußreichen Anhang, und das hat hier im Westen gar viel zu bedeuten. Ich mußte fliehen, sofort fliehen, und nahm mir nur Zeit, mich kurz von meinem Vorgesetzten zu verabschieden. Meiner ferneren Existenz wegen gab er mir den Rat, nach Sheridan zu gehen, und händigte mir einen offenen Empfehlungsbrief an den dortigen Ingenieur ein. Ihr könnt ihn lesen, um Euch zu überzeugen, daß ich die Wahrheit sage.“
    Er zog ein Schreiben aus der Tasche, öffnete es und gab es dem Yankee. Dieser las:
    „Liebster Charoy.
    Hier sende ich Dir Master Joseph Haller, meinen bisherigen Schreiber. Er ist von deutscher Abstammung, ein ehrlicher, treuer und fleißiger Kerl, hat aber das Unglück gehabt, um die Ecke zu schießen und gerade darum seinen Gegner in den Sand zu legen. Er muß darum für einige Zeit von hier fort, und Du tust mir einen Gefallen, wenn Du ihn in Deinem Büro so lange beschäftigst, bis hier Gras über die Angelegenheit gewachsen ist.
    Dein Bent Norton.“
    Unter diesem Namen war zur besseren Legitimation noch ein Stempel angebracht. Der Yankee faltete den Brief wieder zusammen, gab ihn dem Eigentümer zurück und sagte, indem ein halb ironisches, halb mitleidiges Lächeln um seine Lippen spielte: „Ich glaube Euern Worten, Master Haller, auch ohne daß Ihr mir diesen Brief zu zeigen braucht. Wer Euch sieht und sprechen hört, der weiß, daß er einen grundehrlichen Menschen, welcher gewiß mit Willen kein Wässerlein trübt, vor sich hat. Mir geht es gerade wie Euch; auch ich bin kein großer Jäger und Schütze vor dem Herrn. Das ist kein Fehler, denn der Mensch lebt nicht durch Pulver und

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