05 - Der Schatz im Silbersee
Platz zu umstellen. Ein Reiter hätte nicht in den Wald eindringen können; zu Fuß aber und für die gewandten Gestalten der Indianer war es möglich.
Die Weißen hatten soeben ihr Mahl verzehrt. Hobble-Frank schob sein Bowiemesser in den Gürtel und sagte, natürlich in englischer Sprache, um von den beiden Neuangekommenen verstanden zu werden: „Jetzt haben wir gegessen und die Pferde sind ausgeruht; nun können wir wieder aufbrechen, um noch vor Nacht an unser heutiges Ziel zu gelangen.“
„Ja“, stimmte Jemmy bei. „Aber vorher ist es notwendig, daß wir uns kennenlernen und wissen, wohin wir beiderseits gehen.“
„Das ist richtig“, nickte Knox. „Darf ich also erfahren, welches Ziel ihr heute noch erreichen wollt?“
„Wir reiten nach den Elkbergen.“
„Wir auch. Das trifft sich ausgezeichnet. Da können wir ja zusammen reiten.“
Old Shatterhand sagte kein Wort. Er gab Jemmy einen verstohlenen Wink, das Examen fortzusetzen, denn er wollte erst dann sprechen, wenn er seine Zeit gekommen sah.
„Mir soll es recht sein“, antwortete der Dicke. „Aber wo wollt ihr dann weiter hin?“
„Das ist noch unbestimmt. Vielleicht nach dem Green-River hinüber, um nach Bibern zu suchen.“
„Da werdet ihr wohl nicht viele finden. Wer Dickschwänze (Biber) fangen will, muß weiter nördlich gehen. So seid ihr als Trapper, Biberjäger?“
„Ja. Ich heiße Knox und mein Gefährte Hilton.“
„Aber wo habt Ihr denn Eure Biberfallen, Master Knox, ohne welche Ihr keinen Fang machen könnt?“
„Die sind uns da unten am San Juanfluß von Dieben, vielleicht von Indianern, gestohlen worden. Vielleicht treffen wir ein Kamp, wo es welche zu kaufen gibt. Ihr meint also, daß wir uns euch zunächst bis nach den Elkbergen anschließen dürfen?“
„Habe nichts dagegen, wenn meine Gefährten es zufrieden sind.“
„Schön, Master! So dürfen wir nun wohl eure Namen erfahren?“
„Warum nicht! Mich nennt man den dicken Jemmy; mein Nachbar rechts ist der – – –“
„Der lange Davy wohl?“ fiel Knox schnell ein.
„Ja. Ihr erratet es wohl?“
„Natürlich! Ihr seid ja weit und breit bekannt, und wo der dicke Jemmy sich befindet, da braucht man nicht lange nach seinem Davy zu suchen. Und der kleine Master hier an Eurer linken Seite?“
„Den nennen wir Hobble-Frank; ein famoses Kerlchen, den Ihr schon noch kennenlernen werdet.“
Frank warf einen warmen, dankbaren Blick auf den Sprecher, und dieser fuhr fort: „Und der letzte Name, den ich Euch zu nennen habe, ist Euch jedenfalls noch besser bekannt, als der meinige. Ich denke doch, daß Ihr von Old Shatterhand gehört habt.“
„Old Shatterhand?“ rief Knox aufs freudigste überrascht. „Wirklich? Ist's wahr, Sir, daß Ihr Old Shatterhand seid?“
„Warum sollte es nicht wahr sein“, antwortete der Genannte.
„Dann erlaubt mir, Euch zu sagen, daß ich mich unendlich freue, Euch kennenzulernen, Sir!“
Er streckte bei diesen Worten dem Jäger die Hand entgegen und warf dabei Hilton einen Blick zu, welcher diesem sagen sollte: „Du, freue dich auch, denn nun sind wir geborgen. Wenn wir bei diesem berühmten Mann sind, haben wir nichts mehr zu befürchten.“ Old Shatterhand aber tat, als ob er die ihm angebotene Hand gar nicht bemerkte und entgegnete in kaltem Ton: „Freut Ihr Euch wirklich? Dann ist es schade, daß ich Eure Freude nicht zu teilen vermag.“
„Warum nicht, Sir?“
„Weil ihr Leute seid, über welche man sich überhaupt nicht freuen kann.“
„Wie meint Ihr das?“ fragte Knox, ganz betroffen über diese Offenheit. „Ich nehme an, daß Ihr scherzt, Sir.“
„Ich spreche im Ernst. Ihr seid zwei Schwindler und vielleicht gar etwas noch viel Schlimmeres.“
„Oho! Meint Ihr, daß wir eine solche Beleidigung auf uns sitzen lassen?“
„Jawohl, das meine ich, denn was könnt ihr andres tun?“
„Kennt Ihr uns etwa?“
„Nein. Das wäre auch keine Ehre für mich.“
„Sir, Ihr werdet immer rücksichtsloser. Man beleidigt keinen, mit dem man vorher gegessen hat. Beweist mir doch einmal, daß wir Schwindler sind!“
„Warum nicht?“ antwortete Old Shatterhand gleichmütig.
„Das ist Euch unmöglich. Ihr gesteht ja selbst, daß Ihr uns nicht kennt. Ihr habt uns noch nie gesehen. Wie wollt Ihr da nachweisen, daß Eure Worte auf Wahrheit beruhen?“
„Pshaw, gebt euch keine unnütze Mühe, und haltet doch um Gottes willen Old Shatterhand nicht für so dumm, daß er sich von Leuten eures Schlages
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