05 - Der Schatz im Silbersee
wie er es angefangen hat. Hört ihr, wie die Utahs zornig schreien! Sie entfernen sich; sie kehren in das Lager zurück. Und seht, dort stehen vier Bleichgesichter; ich kenne sie.“
„Ich auch“, rief Droll. „Old Shatterhand, der lange Davy, der dicke Jemmy und dieser kleine Hobble-Frank.“ Diese Namen erregten allgemeines Aufsehen. Einige kannten einen oder mehrere der Genannten persönlich; die andern hatten genugsam von ihnen gehört, um ihnen das größte Interesse zu widmen. Die Bemerkungen flogen hin und her, bis Winnetou zu Old Firehand sagte: „Sieht mein Bruder jetzt, daß ich recht hatte? Unsre Freunde haben ihre Waffen noch; es kann also nicht gefährlich um sie stehen.“
„Einstweilen noch, ja; aber wie bald kann sich das ändern. Ich schlage vor, ganz offen hinzureiten.“
„Will mein Bruder hin, so mag er es tun; ich aber bleibe hier“, antwortete der Apache in sehr bestimmtem Ton. „Old Shatterhand kennt die Verhältnisse und weiß, was er tut; wir aber kennen sie nicht und würden ihn vielleicht in der Ausführung seines Planes stören. Bleibt hier, ich werde so weit wie möglich vordringen, um zu erfahren, was geschieht.“
Er behielt das Fernrohr in der Hand und verschwand zwischen den Bäumen. Es verging eine lange halbe Stunde; da kehrte er zurück und meldete: „Es gibt mitten im Lager einen Zweikampf. Die Utahs stehen so eng beisammen, daß ich die Kämpfenden nicht sehen konnte; aber den Hobble-Frank sah ich. Er zog die Pferde heimlich und vorsichtig hinter das Zelt und gab ihnen die Decken. Die Weißen wollen fort.“
„Und heimlich? Also fliehen?“ fragte Old Firehand. „So postieren wir uns hier an den Weg und nehmen sie auf oder gehen ihnen gar entgegen.“
„Keins von beiden“, entgegnete der Apache kopfschüttelnd.
„Meine Ansichten scheinen heute bei meinem roten Bruder stets auf Widerspruch zu stoßen!“
„Old Firehand mag nicht zürnen, sondern nachdenken. Was werden die Roten tun, wenn die Weißen fliehen?“
„Sie werden dieselben verfolgen.“
„Wenn man vier oder sechs Männer verfolgt, wie viele Krieger braucht man dazu?“
„Nun, zwanzig bis dreißig.“
„Gut! Die werden wir sehr leicht besiegen. Wenn wir uns aber den Utahs zeigen, wird der ganze Stamm hinter uns her sein, und dann muß viel Blut fließen.“
„Du hast recht, Winnetou. Aber wir können die Roten doch nicht blind machen. Sie werden unsre Zahl sehr bald aus der Fährte erkennen.“
„Sie werden die Fährte betrachten, welche vor ihnen ist, aber nicht diejenige, welche sich hinter ihnen befindet.“
„Ach, du meinst, daß wir ihnen folgen?“
„Ja.“
„Ohne daß wir uns Old Shatterhand zeigen?“
„Wir werden mit ihm sprechen, aber nur du und ich. Horch! Was ist das?“
Vom Lager her erscholl ein fürchterliches Geheul, und gleich darauf sah man vier Reiter im Galopp aus demselben kommen. Es waren die Weißen. Sie schlugen die Richtung nach dem oberen Ende des Sees ein, hatten also die Absicht, den Bach zu erreichen und an demselben aufwärts zu reiten.
„Da kommen sie“, sagte Winnetou. „Old Firehand mag mir folgen. Meine andern weißen Brüder aber müssen mit den Pferden schnell tiefer in den Wald hinein und dort warten, bis wir zurückkehren. Sie mögen unsre Pferde mitnehmen.“ Er nahm Old Firehand bei der Hand und zog ihn mit sich fort, immer am hohen Ufer des Baches entlang, unter den Bäumen hin, bis an eine Stelle, von welcher aus man das Lager sehen konnte, ohne von dort aus bemerkt zu werden. Da blieben sie stehen.
Old Shatterhand kam schnell näher. Er hielt sich mit seinen Begleitern nahe am Wasser, ritt also unten, während der Apache und Old Firehand oben standen. Als er die Stelle erreichte, erklang es von oben herab: „Uff! Meine weißen Brüder mögen hier halten bleiben.“
Die vier parierten ihre Pferde und blickten nach oben.
„Winnetou, Winnetou!“ riefen sie zugleich.
„Ja, es ist Winnetou, der Häuptling der Apachen“, antwortete er. „Und hier steht noch einer, welcher ein Freund meiner weißen Brüder ist.“
Er zog den gewaltigen Jäger hinter einem Baum hervor.
„Old Firehand!“ rief Old Shatterhand. „Du hier, du! Ich muß hinauf, dich zu begrüßen! Oder komm herab!“
Trotz der Gefahr, in welcher er sich befand, machte er Miene, vom Pferd zu springen.
„Halt, bleib!“ wehrte ihm Old Firehand ab. „Auch ich darf nicht zu dir.“
„Warum?“
„Die Utahs dürfen von unsrer Gegenwart nichts ahnen.“
„Ach!
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