05 - Der Schatz im Silbersee
denn? Wie wollen wir das Messer erhalten?“
„Ich hole es.“
„Aus der Schlafkabine?“
„Ja.“
„Du selbst?“
„Natürlich. So eine wichtige Arbeit überlasse ich keinem andern.“
„Und wenn man dich erwischt?“
„Das ist unmöglich. Mein Plan ist fertig, und er wird gelingen.“
„Wenn's wahr ist, soll es mir lieb sein. Aber der Ingenieur wird sein Messer beim Erwachen vermissen. Dann geht der Teufel los!“
„Ja, dann geht freilich der Teufel los; aber wir sind fort.“
„Wohin?“
„Welche Frage! An das Ufer natürlich.“
„Sollen wir etwa hinüberschwimmen?“
„Nein. Das mute ich weder mir noch euch zu. Ich bin kein übler Schwimmer, aber des Nachts möchte ich mich doch diesem breiten Strom, dessen Ufer man kaum sieht, nicht anvertrauen.“
„So meinst du, daß wir uns eines der beiden Boote bemächtigen?“
„Auch das nicht. Unmöglich wäre es zwar nicht, dies zu tun, ohne daß es gesehen wird, aber ich will lieber mit Umständen rechnen, welche mir bekannt sind, als mit solchen, die ganz unerwartet eintreten und die Ausführung meines Plans unmöglich machen können.“
„So sehe ich nicht ein, in welcher Weise wir ans Land kommen sollen, bevor der Diebstahl entdeckt ist.“
„Das ist eben ein Beweis, daß du ein Kindskopf bist. Warum habe ich mich denn so angelegentlich nach dem Kielraum erkundigt?“
„Das kann ich nicht wissen!“
„Wissen freilich nicht, aber erraten. Schau dich um! Was steht dort neben der Ankertaurolle?“
„Das scheint ein Werkzeugkasten zu sein.“
„Erraten! Ich habe gesehen, daß er Hammer, Feilen, Zangen und mehrere Bohrer enthält, unter denen einer ist, dessen Gewinde einen Durchmesser von anderthalb Zoll hat. Nun vereinige einmal beides, den Kielraum und diesen Bohrer!“
„Thunder-storm! Willst du etwa das Schiff anbohren?“ fuhr der andre auf.
„Allerdings will ich das.“
„Daß wir alle ersaufen!“
„Pshaw! Mach dich nicht lächerlich! Vom Ertrinken ist keine Rede. Ich will nur den Käpt’n zwingen, ans Ufer zu legen.“
„Ah so! Aber wird das gelingen?“
„Jedenfalls. Wenn das Schiff Wasser zieht, muß ein Leck dasein, und wenn ein Leck da ist, fährt man an das Ufer, um der Gefahr zu entgehen und das Schiff mit Muße zu untersuchen.“
„Aber wenn man es zu spät bemerkt!“
„Sei doch nicht so ängstlich. Wenn das Schiff sinkt, was sehr langsam geschieht, so steigt die Wasserlinie außen. Das muß der Offizier oder Steuermann bemerken, wenn er nicht blind ist. Es wird das einen solchen Lärm und Schreck geben, daß der Ingenieur zunächst gar nicht an sein Messer denken wird. Wenn er dann den Verlust entdeckt, sind wir längst fort.“
„Und wenn er doch an das Messer denkt und zwar am Ufer anlegt, aber keinen Menschen aussteigen läßt? Man muß alles überlegen.“
„So wird man auch nichts finden. Wir binden das Messer an eine Schnur, lassen es an derselben ins Wasser hinab und befestigen das andre Ende draußen am Schiff. Wer es da findet, der muß geradezu allwissend sein.“
„Dieser Gedanke ist freilich nicht übel. Was aber dann, wenn wir vom Schiff sind? Wir wollten doch eigentlich so weit wie möglich mit demselben fahren.“
„Für neuntausend Dollar läuft man gern eine Strecke. Wenn wir teilen, kommt auf den Kopf eine Summe von weit über vierhundert Dollar. Übrigens werden wir uns nicht zu lange auf unsre Beine zu verlassen brauchen. Ich denke, daß wir bald eine Farm oder ein Indianerlager treffen, wo wir uns Pferde kaufen können, ohne sie zu bezahlen.“
„Das lasse ich gelten. Und dann reiten wir wohin?“
„Zunächst nach dem Black-bear-Fluß.“
„Etwa zu den Rafters, von denen der Nigger sprach?“
„Ja. Es ist sehr leicht, ihr Lager auszukundschaften. Natürlich lassen wir uns dort nicht sehen, sondern lauern den Schwarzbärtigen ab, um auch ihm sein Geld abzunehmen. Ist das geschehen, so haben wir genug, um uns für unsern weiten Ritt ausrüsten zu können.“
„Auf die Eisenbahnkasse wollen wir also dann verzichten?“
„Keineswegs. Sie wird viele, viele Tausende enthalten, und wir werden uns dieses Geld holen. Wir wären aber Toren, wenn wir nicht schon vorher alles mögliche mitnähmen. Und nun wißt ihr, woran ihr seid. Heute abend gibt's zu tun, und an Schlaf ist nicht zu denken. Darum legt euch jetzt aufs Ohr, damit ihr dann frisch seid und gut marschieren könnt!“
Dieser Weisung wurde Folge geleistet. Es herrschte überhaupt infolge der großen
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