0506 - Die Spur der Ratte
erleichtert, »und der Teufel holt uns alle, wenn die Sache für mich zu einem Flop wird. Sie müssen etwas Verwertbares herausfinden, Professor.«
Zamorra grinste. »Der Teufel wird zumindest Mademoiselle Duval und mich nicht holen, ganz gleich, was geschieht«, sagte er. »Der Teufel hat nämlich was gegen uns. Er weiß zu genau, daß dann bei ihm die Hölle los ist…«
Robin fragte sich, wieso er darüber nicht lachen konnte.
Er zeigte seinen Verbündeten den Weg.
***
Der feine Regen hatte aufgehört. Hier in der Stadt spiegelte sich das Licht der Autos, Fenster und Straßenlaternen in den recht kleinen Pfützen und auf dem nassen Asphalt. Draußen auf dem freien Land würde die Feuchtigkeit weniger lange anhalten; der ausgetrocknete Boden nahm sie begierig auf.
»Keine Gegend, in der ich mich ausgesprochen wohl fühlen würde«, murmelte Nicole, nachdem sie ausgestiegen war. Die Fassade der Mietshäuser sahen recht renovierungsbedürftig aus, und gut fünfzig Meter entfernt, spielte eine Gruppe Halbwüchsiger trotz der späten Stunde lautstark mit leeren Bierdosen Fußball. Aus offenen Fenstern konkurrierte der Schall eines halben Dutzend verschiedener Fernseh- und Radiosender, irgendwo wurde ein heftiger Ehekrach, untermalt von splitterndem Porzellan, zelebriert, und zwei Betrunkene taumelten, sich gegenseitig zweifelhaft Halt gebend und nicht jugendfreie Lieder gröhlend, die Straße entlang. Ein umgestürzter Mülleimer hatte seinen Unrat über den Gehsteig verteilt, zwei Laternen waren ausgefallen, und im Zwielicht bewegten sich kleine Wesen auf flinken Pfoten; hin und wieder funkelten ihre Augen im Widerschein des sparsamen Lichtes auf.
»In diesem Viertel wohnt unsere verfehlte Sozialpolitik«, bemerkte Robin trocken. »Und nach den letzten Wahlen und dem kräftigen Rechtsdruck dürfte es in absehbarer Zeit nicht besser werden. Vermutlich werden nur noch mehr Menschen in die Kriminalität getrieben.«
»Wir sind aus einem ganz speziellen Grund hier«, sagte Zamorra. Er achtete wie Nicole mißtrauisch auf die Ratten in der Nähe des Unrates und in den dunklen Winkeln der Hauseingänge. Langsam löste Nicole den Blaster von der Magnetplatte, die am Gürtel ihres Overalls unter der halblangen, ebenfalls ledernen Jacke befestigt war. Robin runzelte die Stirn. »Stecken Sie die Zimmerflak lieber wieder ein«, warnte er. »Man könnte das hier mißverstehen. Hier reicht es schon, eine bestimmte Haustür schief anzusehen, um einen Bandenkrieg zu entfesseln.«
»Und in diese freundliche Gegend lotsen Sie uns mit diesem sündhaft teuren Auto? Ich hoffe doch, daß es nicht schneller zerlegt wird, als wir uns hin und wieder danach umsehen können!«
»Zerlegt nicht«, beruhigte der Chefinspektor. »Höchstens geklaut. Nach Marseille. Mit Ihrem Wagen ist man in weniger als zwei Stunden in Marseille; die Strafzettel wegen zu schnellen Fahrens werden Ihnen zugestellt, der BMW in Richtung Suezkanal oder Schwarzes Meer verschifft, und die Dealer im ehemaligen Ostblock oder im Nahen Osten werden Ihnen ewig dankbar sein.«
»Und was sagt die Polizei dazu?«
»Sie tut, was sie kann und läßt sich von der Presse und den Versicherungen dafür beschimpfen, daß Paris immer mehr Stellen streicht oder nicht neu besetzen läßt, um Geld zu sparen.«
Er winkte Zamorra zu sich. »Hier wurde der Cyborg gefunden«, sagte er. Die Kreidestriche auf dem Gehsteig waren vom Regen mittlerweile fast völlig verwischt worden. Robin leuchtete die Konturen mit seiner Taschenlampe aus. Zamorra entdeckte neugierige Gesichter hinter einigen Fenstern; als er genauer hinsah, verschwanden sie blitzartig, als hätten sie etwas zu verbergen.
»Zeugen?« fragte er.
Robin grinste. »Hier? Hier gibt’s ein paar hundert Leute, die alle grundsätzlich nie etwas gesehen haben, selbst wenn es sie selbst betrifft oder sie darüber stolpern. Der Cyborg hat hier gelegen, bis die Besatzung eines Streifenwagens ihn fand, der routinemäßig zweimal täglich hier durchrollt. Vorher müssen die Leute sorgfältig über den Körper hinweggestiegen oder um ihn herumgepilgert sein. Selbst ein Mord ist hier kein Grund, die Polizei zu rufen. Man mißtraut der Polizei grundsätzlich. Vielleicht fürchtet man, die Polizei könnte bei den Ermittlungen zufällig auch auf dunkle Flecken an der eigenen Weste stoßen…«
»Das klingt, als wollten Sie uns Ihre Vorurteile erläutern«, sagte Zamorra.
Robin zuckte mit den Schultern. »Viele der Leute hier kennen
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