0508 - Sparks hetzt den Werwolf
gedenkst du zu tun, wenn sie zu Hause ist?«
»Dann kralle ich sie mir, und du gibst mir dabei Rückendeckung«, kommandierte Sparks wie selbstverständlich. »Also, packen wir’s an!«
Er öffnete die Tür und trat in den kleinen Raum mit den abblätternden Tapeten, in dem ein großes Bronzeschild hochtrabend verkündete, es handele sich hier um die Rezeption.
Niemand war zu sehen.
Eine Klingel gab es auch nicht. Zamorra rief - erfolglos. »Vielleicht mußt du einen Schuß abfeuern«, empfahl Sparks.
»Dann kommt statt des Clerks die Polizei«, befürchtete Zamorra. Entschlossen griff er über den Tresen zum Gästebuch und holte es zu sich heran. Er fand die Eintragung sehr schnell. »Gay Travis, Zimmer 12 a. Wie passend - die 13 also, die in keinem Hotel 13 heißen darf…«
»Was machen Sie da?« wurde er angefaucht. Auf leisen Sohlen war ein stoppelbärtiges Individuum in zerknittertem Sakko aufgetaucht. Ein kleines mit Prägeband versehenes Ansteckbildchen verriet, daß es sich um Mr. T. S. Hughe handelte.
»Ist Miß Travis im Hause?« erkundigte sich Sparks.
»Was wollen Sie von ihr? Wer sind Sie überhaupt? Und wer oder was gibt Ihnen das Recht, in unserem Gästebuch herumzuschnüffeln?« knurrte der Stoppelbärtige, klappte das Buch zu und brachte es in Sicherheit.
»Sie waren leider nicht greifbar, und ich wollte nicht bis zur Jahrtausendwende warten müssen«, erwiderte Zamorra. »Ist Ihnen eigentlich bewußt, daß eine ganze Räuberbande unbeobachtet hätte ins Haus schleichen und die Fernsehgeräte klauen können?«
»Es gibt hier keine Fernsehgeräte«, versicherte Mr. T. S. Hughe. »Also noch einmal, was wollen Sie?«
»Miß Travis besuchen«, sagte Sparks. »Ist sie nun da oder nicht?«
»Sie ist«, erkannte Zamorra. »Ihr Schlüssel fehlt. Na, dann wollen wir mal freundlich an ihrer Zimmertür klopfen.«
»Wenn Sie das tun, rufe ich die Polizei!« erklärte Hughe.
»Nur zu. Die könnte dann willkommene Amtshilfe leisten.« Sparks zog ein Etui aus der Tasche und legte es aufgeklappt auf den Tisch. Zamorra hatte diesen Ausweis noch nie gesehen, aber das zweifellos echte Siegel Ihrer Majestät ließ den Stoppelbärtigen erbleichen. »Sie hat doch nichts ausgefressen, oder?« stammelte er.
»Das kommt drauf an, wie man diesen Begriff definiert«, erwiderte Sparks und steckte seinen Sonderausweis wieder ein. »Also los, verlieren wir nicht noch mehr Zeit!«
Sie stürmten nach oben. Zamorra bekam noch mit, daß Hughe tatsächlich zum Telefon griff und die Polizei informierte. Ob das wirklich so gut war, wie Sparks meinte, konnte er vorerst noch nicht sagen. »Was war das für ein Ausweis? Das Ding kenne ich ja noch gar nicht«, stieß er hervor, während sie die beiden Treppen hinauf eilten.
»Meine offizielle Legitimation als Königlicher Geisterjäger. Ach Gott, wann muß ich das Ding schon mal tatsächlich vorlegen?«
»Und das verleiht dir amtliche Autorität?«
»Meistens«, sagte Sparks. »Zumindest auf Leute, die sich vom Siegel der Queen beeindrucken lassen, und das sind etwa hundert Prozent aller Engländer. Ah, hier ist die 12 a.«
Sparks nahm entschlossen Anlauf und rammte mit der Schulter gegen die Tür. Schmerzerfüllt stöhnte er auf. Offensichtlich war die Tür aus etwas härterem Holz geschnitzt als er. Gerade, als er tapfer zum nächsten Tigersprung ansetzte, drückte Zamorra die Klinke nieder und ließ die unverschlossene Tür nach innen aufschwingen. Sparks schoß wie ein Torpedo auf Beinen ins Zimmer, prallte gegen einen Tisch und ging mitsamt einer Cognacflasche zu Boden - immerhin bekam er sie noch reaktionsschnell zu fassen und bewahrte sie davor, zu zerschellen.
»Roullet & Files«, murmelte er andächtig, als er sie, am Boden liegend, genauer in Augenschein nahm. »Das ist sie.«
Zamorra interessierte sich mehr für den Rest des Zimmers. Es war leer, und eines der beiden Fenster stand offen.
Lady Werwolf hatte das Hasenpanier ergriffen und war über das nur zweieinhalb Meter tiefer liegende Dach eines Schuppenanbaus getürmt.
***
Nicole war jetzt sicher, daß sie verfolgt wurde. Immer wieder hatte sie das Gefühl gehabt, angestarrt zu werden, und immer wieder hatte es denselben Eindruck von etwas Unangenehmen in ihr hinterlassen, ohne daß sie sagen konnte, worin das Unangenehme bestand. Ihr Unterbewußtsein war nicht in der Lage, es klar und deutlich herauszufiltern. Dann hatte sie die Perücke gewechselt, was einen eventuellen Verfolger irritieren mußte
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