0508 - Sparks hetzt den Werwolf
und der Schornstein rauchte. Aber seltsamerweise konnte er sich dazu nicht aufraffen. Er fühlte sich seltsam satt und zufrieden.
Dieses Gefühl hatte er häufig und mußte sich dann jedesmal so sehr zur Arbeit zwingen, daß er sich wünschte, ein Sklaventreiber mit der neunschwänzigen Peitsche stünde ständig hinter ihm - als Motivationsverstärker. Dann wiederum gab es Phasen, in denen er wie ein Berserker arbeitete, dabei aber einen unstillbaren Hunger fühlte, den er sich nicht erklären konnte.
Er war froh, daß dieser Hunger, der nicht von seinem Magen ausging, derzeit nicht an ihm nagte. Andererseits hatte er absolut keine Lust, etwas für die Aufbesserung seines Kontos zu tun, auch wenn dieses eine Auffrischung vertragen konnte.
Wie immer…
Er schlenderte durch die City und dachte nur selten an die Werwolf-Story, an der er eigentlich arbeiten sollte - wobei sich die Frage stellte, wie er sie mit Fotos illustrieren sollte. Dezent auf harmlos retuschierte Fotos des Opfers? Bei der Sache mit dem Gespenster-Asyl hatte er wenigstens noch Außen- und Innenansichten von Pembroke Castle sowie den Earl vor einem Castle oder beim Golfspiel präsentieren können. Da hatte es einen realen Hintergrund gegeben. Ein Werwolf-Asyl gab es hingegen nicht…
Pfeif drauf, dachte er. Laß das Thema sausen, nimm ein anderes, das sich auch wirklich fotografisch dokumentieren läßt! Damit würde er zwar zwei, drei Tage verlieren - aber damit ließ sich leben.
Plötzlich zuckte er zusammen. Er sah eine junge blonde Frau, die an den Schaufenstern entlang schleuderte.
Sie schien seinen Blick zu spüren, denn sie blieb kurz stehen und drehte den Kopf, um zu ihm herüberzusehen. Unwillkürlich zog er sich in einen Ladeneingang zurück. Anschließend fragte er sich, warum er das getan hatte. Er war doch noch nie einer Frau ausgewichen. Erst recht nicht, wenn sie so attraktiv war wie die Blondine.
Nur sein Unterbewußtsein konnte ihm weiterhelfen.
Es signalisierte ihm eine von der Blondine ausgehende Gefahr…
***
Nachdenklich sah Nicole Duval sich um. So deutlich wie selten zuvor hatte sie den Blick eines anderen Menschen gespürt. Da war dieses typische Gefühl im Nacken gewesen, das signalisierte: Ich werde beobachtet! Doch als sie sich dann nach dem Beobachter umgesehen hatte, konnte sie ihn nicht mehr entdecken, und auch das eigenartige Gefühl war so schnell wieder verschwunden, wie es entstanden war.
Nicole war es gewohnt, angeschaut zu werden - vor allem von Männern. Sie war eine schöne Frau, kleidete sich auch oft sehr provozierend und genoß die bewundernden Blicke regelrecht. Daher achtete sie kaum noch auf »normale« Blicke. Diesmal allerdings war da das Gefühl gewesen, regelrecht angestarrt zu werden - vielleicht sogar sondiert?
Sie versuchte herauszufinden, aus welcher Richtung sie angestarrt worden war, aber es gelang ihr nicht. Es gab zu viele Menschen hier, die sich mit ihren Ausstrahlungen gegenseitig überlagerten, und ihr heimlicher Beobachter tauchte dadurch in der Masse unter. Dabei war Nicole sicher, daß sein Anstarren einen unangenehmen, einen negativen Hintergrund hatte. Ihr Ahnen war der Rest einer Para-Fähigkeit, die sie einmal besessen hatte, nachdem sie mit schwarzem Dämonenblut infiziert worden war. Doch das lag lange zurück. Mittlerweile hatte sich ihr Para-Ich, wohl ausgelöst durch einen vor einigen Jahren erfolgten Vampirbiß, dessen Folgen sie natürlich längst ausgeheilt hatte, in eine Richtung entwickelt; sie war zur Telepathin geworden.
Aber es hatte keinen Sinn, diese Fähigkeit jetzt auszuspielen. Auf wessen Gedankeninhalt sollte sie sich einstellen? Sie mußte Blickkontakt mit dem haben, dessen Gedanken sie sondieren wollte, das war ihr Handicap. Aber hier sah sie unzählbar viele Menschen - und konnte nicht einmal sagen, ob »ihr« Kandidat sich überhaupt unter ihnen befand, oder ob er sich in eine Sichtdeckung zurückgezogen hatte.
Sie kapitulierte. - Aber sie blieb wachsam. Ihr Mißtrauen, ihre Vorsicht, waren geweckt. Immerhin sollte es in London einen Werwolf geben. An den Zufall, diesem Werwolf gerade jetzt bei Tageslicht begegnet zu sein, glaubte sie nicht. Jede Wahrscheinlichkeit sprach dagegen. Im Nobelhotel auf Colonel Sparks zu stoßen, war da schon wesentlich wahrscheinlicher.
Ihr heimlicher Beobachter mußte sie aus einem ganz anderen Grund angestarrt haben.
***
Zamorra folgte der Spur durch die Zeit. Die rückverwandelte Werwölfin hatte ein beachtliches
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