0509 - Der Würger auf dem Schienenstrang
doch!«
»Halt’s Maul!« grunzte der Alte. »Was ist mit der Polizei?«
»Mein Bruder sagte mir letztens, sie suchten einen Mann, der nicht schwerer als hundertfünfunddreißig Pfund sein dürfte und wahrscheinlich lange, schmale Hände hätte. Keine Ahnung, wie sie darauf gekommen sind, aber einen Grund werden sie schon haben.«
»Die haben immer einen Grund, wenn sie etwas behaupten. Hundertfünfunddreißig? Das ist verdammt wenig. Ich wog 162, als sie mich im vorigen Monat im Büro der Bahnpolizei in Frisco auf die Waage stellten. Und ich bin doch wirklich kein übermäßig fetter Kerl.«
Eine Stunde später merkte ich bereits, daß meine Gewichtsangabe die Runde machte. Von einem Feuer zum anderen lief die Meldung. Irgendein Witzbold, der im Suff selbstverfaßte Lieder zu einer verschrammten Gitarre sang, machte prompt eine blutrünstige Ballade daraus.
Am Abend des dritten Tages kroch ich im Gestrüpp des Berghanges herum, um mir eine Stelle zu suchen, wo man schlafen konnte. Ich wollte ungefähr eine Meile von den Höhleneingängen weg, um nicht von dem unaufhörlichen Lärm und Singen gestört zu werden. Es gab keinen besonderen Grund, leise zu sein, als ich mir den Weg durch das Unterholz bei der nächtlichen Finsternis suchte, aber mittlerweile war ich so an die Vorsicht der Tramps gewöhnt, daß ich unwillkürlich auf Geräuschlosigkeit achtete.
So kam es, daß ich die Stimmen hörte, bevor man mich selbst kommen hören konnte. Und gleich der erste Satz, den ich plötzlich irgendwo links von mir aus der Finsternis aufschnappte, ließ mich erstarren.
»… es sind nur drei Angestellte drin, das weiß ich genau, denn ich habe mir die Bank angesehen.«
»Sind sie bewaffnet?« fragte eine andere Stimme.
»Nein, das glaube ich nicht. Es ist eine kleine Bank in einem kleinen, verschlafenen Nest. Ihr wißt doch, wie diese Leute in den ländlichen Gegenden sind. Die glauben, richtige Überfälle gibt es nur in den Großstädten.«
»Aber es wird sich lohnen?«
»Bestimmt. Die Farmer haben die Ernte verkauft und das Geld zur Bank gebracht. Es muß jetzt mehr Geld dort sein als zu jeder anderen Jahreszeit.«
»Wenn sie aber doch einen Colt unter dem Schaltertisch liegen haben?«
»Das ist unser Risiko.«
»Na schön, ich brauche Zaster und kann nicht wählerisch sein. Ich bin dafür, daß wir es machen. Die Frage ist nur, wann.«
»Morgen abend ist hier Schluß. Solange wir hier sind, herrscht größte Vorsicht in der ganzen Gegend. Die Farmer haben, wie ich hörte, nachts sogar Wachen ausgestellt, und die Staatspolizei ist mit Verstärkung im Nest, um sofort eingreifen zu können, wenn etwas passieren sollte. Sie werden vielleicht einen oder zwei Tage länger bleiben als wir. Der Sheriff wird mit ein paar anderen Blechsternen zusammen die Höhle absuchen und zufrieden sein, wenn wir alle hier verschwunden sind. Spätestens am zweiten Tag zieht dann auch die Staatspolizei ab, und die anderen Leute werden den Schlaf nachholen, den sie beim Wachestehen eingebüßt haben. Am dritten Tag müßte alles wieder normal verlaufen. Und da sollten wir es machen.«
»Von morgen an in drei Tagen?«
»Ja.«
»Also gut. Ich schlage vor, wir treffen uns morgen abend wieder hier, und jeder sucht sich bis dahin ein Versteck, wo er sicher sein kann, drei Tage lang nicht aufgestöbert zu werden. Morgen abend können wir dann besprechen, wann und wo wir uns treffen.«
Ein paar andere Männerstimmen brummten Zustimmung. Wenig später hörte ich Rascheln und Knacken von Ästen im Unterholz. Ich preßte mich dicht an den Boden, hörte einen einzelnen Mann kaum drei Yard neben mir durch das Gestrüpp kriechen, und dann wurde es still.
In der Finsternis hatte es absolut keinen Sinn, den Versuch zu unternehmen, hinter diesen Kerlen herzulaufen.
***
»He, du!« brummte jemand.
Ich fuhr in die Höhe, rieb mir die Augen und verspürte einen mörderischen Durst. Wahrscheinlich hatte ich gestern abend zu viel von dem Fusel mitgetrunken, der an den Lagerfeuern in den Höhlen literweise die Runde gemacht hatte.
Vor mir kauerte ein Männchen mit pergamentfarbener, zerknitterter Gesichtshaut und hielt mir eine Wermutflasche hin. Ich setzte sie an und nahm einen tüchtigen Schluck. Das Zeug wärmte und schmeckte gar nicht so übel.
Bildete ich es mir nur ein? Oder hatte ich mich inzwischen an das verdammte Zeug gewöhnt?
»Na, wie lange hat dich der Sheriff von Cheeseaville festgehalten?«
Endlich war ich richtig wach. Es
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