0512 - Hard-Rock-Zombie
mir nicht das gleiche geschah wie mit den Kugeln.
Ich widerstand den Flammen.
Mein Kreuz war es, das mich schützte. Es strahlte hell auf, sogar rötlich im Widerschein des allmählich verlöschendes Feuers.
Noch immer bildeten die Flammen einen Kreis, in dem sich der Hard-Rock-Zombie bewegte.
Er hatte seine Gitarre gesenkt. Dabei schwang er sie von einer Seite zur anderen, als wäre sie ein Glockenklöppel.
»So nicht«, sagte ich heiser und näherte mich ihm mit einem weiteren Schritt.
Da erhob sich Suko.
Dies geschah ohne Vorwarnung. Ich hatte an dem Zombie zufällig vorbeigesehen und bekam mit, wie mein Freund aufstand.
Was war mit ihm geschehen?
In seinen Augen lag ein irrer Blick, weltvergessen und allein auf die Hölle konzentriert.
So hatten auch die Skinheads gestarrt. Stand Suko tatsächlich unter dem Bann des Hard-Rock-Zombie?
Nur befand sich die Horde draußen und machte dort Randale.
Suko war nur durch den Flammenring von mir getrennt, und er traf Anstalten, hindurchzugehen.
Was geschehen würde, wußte ich nicht. Vielleicht griff Suko mich an, möglicherweise zerstörte ihn das Feuer auch.
Tiger Diabolo beugte sich zur Seite und vollführte eine einladende Handbewegung, als wollte er Suko damit zeigen, wie willkommen er im Kreis des Feuers war.
Da wuchtete ich mich vor. Es war ein günstiger Augenblick, weil der Hard-Rock-Zombie sich nicht auf mich konzentrierte. Es wirkte so, als wollten wir uns wie zwei Freunde durch eine Umarmung begrüßen. Für einen aber wurde es zu einer tödlichen Klammer.
Tiger Diabolo brüllte wie am Spieß, als er mit dem Kreuz den direkten Kontakt bekam.
Gleichzeitig zuckte Suko, der fast schon in den Flammenring hineingegangen war, zurück und drehte sich spiralförmig dem Boden entgegen, wo er liegenblieb.
Unter mir zerschmolz der Zombie.
Er weichte auf und sank ineinander. Die Beine bildeten zwei puddingartige Stümpfe, der Oberkörper sackte auch zusammen, wobei sich der unförmige Schädel hineindrückte, bevor alles zu einer Lache verlief, aus der gelblichgrüner Schwefelrauch stieg, in dessen Zentrum ich noch für einen Augenblick die böse Fratze meines Todfeindes Asmodis erkannte.
Mit seinem Verschwinden sanken auch die Feuerzungen zusammen. Was blieb, war eine Art Zuckerkruste, die einmal auf den Namen Tiger Diabolo gehört hatte…
***
Ich half Suko auf die Beine, der mich anschaute, als wäre er nicht ganz in der Welt.
»Was war denn?« flüsterte er. »Ich hatte plötzlich das Gefühl, jemand wollte von innen meinen Schädel sprengen.«
Mein Grinsen fiel satt aus. »So hast du auch ausgesehen.«
»Wie?«
»Erkläre ich dir später.« Dann ging ich zu Aristide. Er hatte die Attacke ebenfalls überstanden und war sogar bei Bewußtsein. Ich nickte ihm entgegen. »Sie können beruhigt sein, Aristide. Ich habe Ihre Aufgabe erledigt.«
»Ist er…?«
»Ja, Ihr Sohn bedeutet keine Gefahr mehr. Für niemanden auf dieser verrückten Welt.«
Er wirkte plötzlich ruhiger, aber ich mußte einen Arzt holen. Gemeinsam mit Suko schritt ich auf den Ausgang zu und löste den Riegel. Dann zogen wir das Tor auf.
Die Skinheads standen vor uns wie eine gespenstische, nebelumhüllte Geisterschar. Sie bildeten eine Mauer aus Menschenleibern, aber sie griffen uns nicht an.
»Tiger Diabolo hat sein letztes Solo gespielt!« erklärte ich ihnen mit harter Stimme. »Es gibt ihn nicht mehr. Soho kann aufatmen. Und ihr haut jetzt endgültig ab!«
Schweigend machten sie mit gesenkten Köpfen kehrt. Ein Traum war bei ihnen zerbrochen. Ein böser, ein gefährlicher Traum. Sie würden weiterhin existieren und hoffentlich irgendwann einmal so zur Vernunft kommen, daß sie ihr Leben änderten.
Vom nächstbesten Telefon aus verständigten wir einen Rettungswagen. Wegen des schlechten Wetters würde es dauern, bis er eintraf. Ich kletterte derweil aufs Dach.
Neben der Öffnung lag Rudy auf dem Rücken. Er stand bereits vor einem höheren Richter. Ich schloß dem Mann, der mich auf heimtückische Art und Weise hatte umbringen wollen, die Augen.
Dann zündete ich mir eine Zigarette an und starrte in den schmutziggrauen Nebel.
Es war genau ein Uhr morgens.
Ende der Geisterstunde…
ENDE
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