0512 - Hard-Rock-Zombie
Diabolo dort zeigen würde.
Wie gesagt, die Decke bestand aus dicken Glasbausteinen, ebenfalls verschmutzt. Man konnte kaum hindurchsehen.
Und doch zeichnete sich dort oben etwas ab.
Vielleicht irritierte mich auch der dünne Nebel, der von oben her durch eine Öffnung in die Halle floß.
Doch da war noch jemand.
Dicht neben der Stelle, wo sich der Nebel freie Bahn verschafft hatte, glaubte ich, eine Gestalt zu sehen.
Ich wollte Suko darauf aufmerksam machen, es war leider zu spät.
Tiger Diabolo, der Hard-Rock-Zombie erschien!
***
Und wie er kam!
Das war schon eine Schau für sich. Ein höllischer Auftritt, markig in Szene gesetzt.
Als befänden sich in der Mitte des Kreises und direkt am Boden kleine Gasdüsen, so schossen plötzlich die kniehohen Flammen aus dem Untergrund und bildeten einen flackernden Kreis aus Höllenfeuer, das keine Wärme abgab.
Ich sah Sukos Seitenblick. Seine Frage ahnte ich im voraus und gab schon die Antwort. »Ja, so habe ich ihn erlebt!« hauchte ich.
Die Skinheads waren still geworden. Beinahe andächtig hockten sie da und starrten auf den Flammenring, dessen Feuerzungen einen rotgelben Schein besaßen und in ihrem Kern ein fast schon dunkles und sehr kalt wirkendes Blau.
Dann kam er!
Auch wieder ein großer Auftritt. Innerhalb des Flammenkreises bildete sich aus dem Nichts ein rasendes Etwas. Eine dunklere Spirale, die sich um die eigene Achse drehte, als wollte sie einen Veitstanz aufführen.
Das war Tiger Diabolo!
Bisher noch ein geisterhaftes Etwas. In den folgenden Sekunden änderte sich dies radikal.
Je schneller er sich um seine eigene Achse drehte, um so dichter wurde seine Gestalt.
Aus dem Feinstofflichen kristallisierte sich ein Mensch hervor. Ein ungewöhnlicher Typ, ein Rocker eben.
Noch zwei, drei Umdrehungen, dann hatte er seine volle, feste Gestalt erreicht.
Sogar die Kette aus kleinen Totenköpfen, die er sich um den muskulösen Hals geschlungen hatte, glänzte rötlich im zuckenden Schein der Flammen. Der Kopf wirkte weich wie der eines Ghouls, als würde er jeden Augenblick zerlaufen. Das Leder der Hose und das der Weste war schwarz wie Kohle. Feurige Zungen strichen darüber hinweg und tanzten als Schatten auch über seinen mächtigen, nackten Oberkörper, der mit Muskeln vollbepackt war.
Auf seinem Kopf standen die beiden rot und gelb gefärbten Haarbüschel. Wenn man den Schädel überhaupt mit etwas vergleichen wollte, so kam mir der Begriff Gorilla-Mensch in den Sinn. Dieser Hard-Rock-Zombie war häßlich.
Mit beiden Händen hielt er seine »Waffe« fest – die Gitarre. Für mich war es eine Waffe. Sie produzierte eine höllische Musik, die schwache Menschen derart in ihren Bann zog, daß sie dem Satan hörig wurden.
Noch lagen die klumpigen Stummelfinger des Tiger Diabolo ruhig auf dem Holz der Gitarre. Er drehte sich ab, damit ihn alle anschauen konnten.
Dabei hob er die Arme an und die Gitarre hoch. Der Widerschein des Feuers floß wie gefärbtes Wasser in seine dunklen, tiefen Achselhöhlen.
Nach der einen Drehung nahm er wieder die ursprüngliche Haltung an. Auch die Skinheads saßen längst nicht mehr so entspannt. Sie wirkten wie auf dem Sprung.
Keiner von ihnen richtete seinen Blick in den Hintergrund der Halle oder etwa auf uns, nein, Tiger Diabolo zog alle in seinen Bann.
Sie saßen dicht am Feuerring, ohne sich zu verbrennen. Vielleicht floß mit dem zuckenden Widerschein auch eine gewisse Kälte über ihre Gesichter, denn einige von ihnen zeigten eine Gänsehaut.
Tiger Diabolo hob den rechten Arm und spannte dabei die Hand.
Er würde gleich die ersten Akkorde schlagen.
Noch wartete er.
Die Spannung nahm zu. Auch wir konnten uns ihr nicht entziehen. »Sollen wir jetzt schon eingreifen?« hörte ich Sukos Flüstern.
Ich hob die Schultern. »Nein, vielleicht noch nicht.«
»Fehlt dir etwas?«
»Nicht direkt, aber ich vermisse jemand.«
»Diesen…«
»Genau, Aristide!«
Ich schaute abermals zur Decke. Dort stimmte etwas nicht, ich hatte da den Nebel gesehen und…
Tiger Diabolo hatte seine Hand sinken lassen. Er hämmerte auf die Saiten.
Der erste Akkord, unheimlich hart angeschlagen, donnerte wie ein Gewitter durch die Halle.
Das war genau die Musik aus der Hölle. Nicht melodisch, sondern schrill und vollgepfropft mit bösen Emotionen, die der Hard-Rock-Zombie auf seine Bewunderer übertragen wollte.
Er gab einen Schrei von sich.
Ein schrilles, furchtbares Geräusch, zu vergleichen mit dem Kreischen einer
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