0512 - Hard-Rock-Zombie
beim ersten Schrei seine rechte Hand nach unten fallen und über die Saiten der Gitarre gleiten ließ.
Die Akkorde jagten mir entgegen. Überlaut, sie dröhnten, als wären sie verstärkt worden.
Ich hatte die Reaktion meines Kreuzes nicht vergessen und zog es vorsichtig unter der Kleidung hervor. Die schmale Silberkette hielt ich mit spitzen Fingern, ließ den Talisman nicht offen vor der Brust hängen und steckte ihn in die Trenchtasche.
In der Handfläche spürte ich die leichte Wärme des Kreuzes. Mir war klar, daß dieser Kerl zumindest dämonisch angehaucht war.
Ich ließ ihn spielen.
Er hämmerte auf seiner Gitarre herum, als wollte er sie zerstören.
Der Rhythmus wurde immer wilder. Jedesmal, wenn er besonders laut über das Ziel hinausschoß, bewegten sich auch die Flammen und sprangen regelrecht in die Höhe, so daß sie die aufgestellten Haare des Hard Rockers erreichten.
Das war der reine Wahnsinn, der vor mir ablief. Tiger – so hieß er ja - begann zu tanzen.
Er sprang in dem Feuerkreis herum. Die auf der Gitarre gehämmerten Rhythmen jagten als harter, brutal klingender Power über das Trümmerfeld hinweg und auch noch weiter, als wollten sie mit ihrer Botschaft den Stadtteil Soho durchdringen und zahlreiche Helfer herbeilocken.
Feuer gibt Wärme ab.
Auch wenn ich relativ weit noch von den Flammen entfernt stand, hätte ich etwas von der Wärme spüren müssen. Das war nicht der Fall. Deshalb kam für mich nur kaltes Feuer in Frage.
So etwas gibt es. Das hatte ich mehr als einmal erlebt. Ein kaltes Feuer, von der Hölle geschickt, zwar auch vernichtend, aber eben anders als die normalen Flammen.
Höllenfeuer brennt mit einer nahezu gnadenlosen Kälte und verschlingt jeden der sich ihm nähert.
Ich ging auf den Kreis aus Flammen zu.
Noch hatte ich die Hoffnung, Wärme zu spüren. Zwei Schritte später war sie verloschen.
Dieses Feuer stammte nicht von unserer Welt, Es mußte in der Hölle entfacht und von dort mitgebracht worden sein. Also war Tiger auch ein Günstling des Teufels.
Ich leistete Kitty insgeheim Abbitte. Einen kleinen Spaziergang nur hatte ich unternehmen wollen, jetzt steckte ich bereits mitten in einem mörderischen Fall, denn ein Teufelsdiener wie Tiger schaffte es durchaus und vor allen Dingen mit Hilfe dieser Power-Musik, daß ihm zahlreiche junge Menschen folgten, wie die Schafe dem Hirten auf der Weide.
Tiger ließ sich nicht stören. Er befand sich in seinem Element, wuchs zu einer wilden Ekstase hoch, sprang, schrie, sang und hämmerte auf den Saiten seiner Gitarre. Für mich grenzte es bereits an ein kleines Wunder, daß sie noch nicht gerissen waren.
Der übrige Teil des Grundstücks lag im Finstern. Das Feuer gab zwar seinen Schein ab, der blieb ziemlich konzentriert und strahlte mehr nach innen ab.
Ich stieg den Trümmerhügel hoch. Diesmal hatte ich mein Kreuz offen in die Hand genommen.
Wenn Tiger nach unten und über den Flammenrand hinwegschaute, mußte er es sehen.
Als er den Kopf senkte, hielt ich die rechte Hand hoch und mit ihr das Kreuz!
Sein Blick traf mich – und das Kreuz!
Im gleichen Augenblick breitete er die Arme aus, vergaß seine Gitarre, die letzten Rhythmen schwangen aus, und der Kreis aus Flammen drang jetzt nach innen.
Er packte Tiger!
Innerhalb eines Atemzuges wurde er vom Feuer verschlungen.
Flammen, Rauch und eine Fratze bildeten ein Bild, in dem besonders die Fratze hervorstach.
Dreieckig, widerlich grinsend mit langen Stiftzähnen und kalten, bösen Augen.
Das Gesicht des Teufels!
Asmodis also steckte dahinter. Und der verfluchte Hard-Rock-Zombie war ein Produkt seines finsteren Reiches, der Hölle.
Ich hatte für einen Moment den Atem angehalten. Als ich die Luft wieder ausstieß, war die Stelle auf dem Trümmerhügel leer, als hätte dort nie jemand gestanden.
Nur etwas erinnerte noch an Tiger und die Teufelsfratze.
Nicht der Hauch des Todes, dafür der Hauch von Schwefelgasen, auch Odem der Hölle genannt.
Ich kletterte auf den Hügel und machte mir gleichzeitig Vorwürfe.
Vielleicht hätte ich ihn schon längst erwischen können, wenn ich mein Kreuz in die Flammen geschleudert hätte. So war er mir entkommen und würde an anderer Stelle wieder auftauchen.
Dunkelheit und Nebel hatten mich überfallen und hüllten mich ein. Um überhaupt etwas erkennen zu können, nahm ich meine kleine Lampe zu Hilfe.
Ich leuchtete die Hügelkuppe ab, ohne eine Spur zu finden. Tiger hatte nichts hinterlassen, was auf ihn
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