0512 - Hard-Rock-Zombie
Wahrscheinlich saß ihnen der Schock über das Verschwinden des Tiger Diabolo noch zu stark in den Knochen. Nur einige von ihnen schlugen wütend gegen das Gerüst.
Der Reihe nach stiegen sie auf ihre Feuerstühle. Kaltes, gnadenlos hell strahlendes Licht der Scheinwerfer vertrieb die Finsternis, aber nicht die Nebelbahnen, durch die träge Schleier zogen.
Die Hausmauern schienen zu zittern, als die Motoren ansprangen.
Der Sound war für manche Menschen einfach irre. Mir fiel er allerdings auf die Nerven.
Ohne mich entdeckt zu haben, brausten die Skinheads davon. Ich verließ meine Deckung und blieb sehr nachdenklich stehen, wobei mein Blick zurück zur Ruine glitt.
In der letzten Stunde hatte sich einiges getan. Ich hatte das Mädchen Kitty getroffen, von Tiger Diabolo erfahren, ihn auch erlebt, dann waren mir dieser Fremde mit der Baskenmütze und die Horde Skinheads begegnet.
Irgendwo mußte es einen roten Faden geben, der all die Dinge zusammenhielt.
Kitty war ein Mädchen, das diese Gegend kannte. Zudem hatte sie Vertrauen zu mir gefaßt – das bildete ich mir jedenfalls ein – vielleicht gelang es mir, mehr aus ihr herauszuholen. Zumindest über die Skinheads mußte sie Bescheid wissen.
Ihre Wegbeschreibung hatte ich nicht vergessen. In der Ferne verklang das Donnern der Motoren. Niemand hatte sich auf der Straße gezeigt. Erst jetzt, wo die Horde verschwunden war, sah ich wieder Leute.
Ich machte mich auf die Socken, um den Treffpunkt zu erreichen.
***
PPP – Paolos Pizza Pub!
Die drei großen Buchstaben leuchteten in einem kalten Blau, das gar nicht zu übersehen war.
Man konnte den Eingang von zwei Treppenseiten aus erreichen.
Zur oben liegenden Straße hin schirmte eine Mauer die Stufen ab, die mit Sprüchen besprüht und bekritzelt war.
Einige Schmierer hatten sich in drastischen Worten über das Essen beschwert.
Die Straße selbst gehörte zu den belebteren des Vergnügungsviertels. Auch bei diesem Wetter herrschte noch Betrieb.
Ich hatte die rechte Treppe genommen, stand vor einer grün gestrichenen Tür und sah die Messingklinke, die traurig nach unten hing. Mit dem Ellbogen drückte ich die Tür auf.
Wärme stemmte sich mir entgegen. Vermischt mit dem Geruch von Gewürzen und gebratenem Fleisch.
Paolos Pizza Pub war nicht besonders groß. Ein Raum, in dem sechs Tische standen und die Theke. Weiße Tischdecken und weiße Wände ließen die Kellerlage vergessen.
Wenn es ein Geheimtip war, dann hatte es sich tatsächlich noch nicht herumgesprochen, daß man hier gut essen konnte. Ich war nämlich der einzige Gast und wurde von Paolo mit freundlichen Worten begrüßt. Er ließ seine italienische Zeitung sinken und erklärte mir, wie sehr er sich über meinen Besuch freute.
Paolo war Italiener, aber er sah nicht so aus. Er wirkte auf mich ulkig.
Zwar wuchs der dunkle Bart wie ein trauriger Halbmond auf seiner Oberlippe, doch die Haare erstrahlten fast in einem hellen Blond. Paolo hatte sie sich färben lassen. Als Kleidung reichten ihm eine schwarze Hose, ein weißes Hemd mit Pumpärmeln und eine ebenfalls schwarze Stoffweste. Der Mund war breit wie der eines Breitmaulfrosches. Wenn er redete blitzten Goldzähne im Oberkiefer.
»Sie können sich die Plätze noch aussuchen, Signore. Nichts ist reserviert.«
»Ist das immer so?« fragte ich und zog meinen Mantel aus. Darunter trug ich eine glatte Lederjacke zu der grauen Hose. Mein Hemd bestand aus Jeansstoff.
Aus der Wand schauten einige Haken. An einen hing ich meinen Mantel auf. Ich setzte mich ziemlich nach hinten, damit ich die Tür im Auge behalten konnte.
Kaum hatte ich meinen Platz eingenommen, erschien der Wirt am Tisch. Er hatte die Speisekarte mitgebracht und ein Glas Grappa.
»Der Drink geht auf Kosten des Hauses«, erklärte er freudestrahlend.
Ich bedankte mich und fragte: »Machen Sie das immer so?«
»Nein, nur beim ersten Gast.«
»Dann bin ich heute der erste?«
»Ja, für den Abend.« Er trank selbst auch. Der Grappa war scharf und trieb mir das Wasser in die Augen. Ich schüttelte mich und bestellte ein Bier.
»Das habe ich nur in Flaschen.«
»Macht nichts.«
Ich bekam es mit einem Glas gebracht. Inzwischen hatte ich in der Speisekarte herumgeblättert und ein passendes »Gericht« gefunden.
Gemischten Salat.
»Die ist gut«, sagte Paolo und lobte sich selbst, »aber für einen erwachsenen Menschen reicht es nicht.«
»Wenn ich noch Hunger habe, bestelle ich etwas nach.«
»Sehr wohl, Signore, sehr
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