Die Löwin
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Erster Teil
Die Wolfsgrube
1.
C aterina wollte den Becher zum Mund führen, hielt aber mitten in der Bewegung inne und musterte ihren Gastgeber, als suche sie auf seinem Gesicht nach Spuren beginnenden Wahnsinns.
»Verzeiht, Rechlingen, aber das könnt Ihr doch nicht ernst gemeint haben!«
Hartmann Trefflich, der wie eine fette Kröte auf seinem Stuhl hockte, ballte die Rechte zur Faust und schlug so erregt auf die Tischplatte, dass die Messer auf den Zinntellern klirrten. »Warum sollte ich mit einer solch wichtigen Sache spaßen?«
»Ich soll Euren Sohn heiraten, Rechlingen? Bei Gott, Ihr vergesst, dass mein Ahne Leupold von Eldenberg bereits unter Kaiser Otto III . Rang und Titel trug. Ihr aber wurdet als einfacher Bürger Trefflich geboren! Und dass Ihr die Herrschaft Rechlingen käuflich erworben und ihren Namen angenommen habt, macht Euch nicht zum Edelmann. Nur Kaiser Wenzel oder einer der anderen hohen Herren des Reiches kann Euch in den Adelsstand erheben.«
Caterina hatte noch nie auf ihren Stammbaum gepocht, der mütterlicherseits noch feudaler war als der ihres Vaters, doch die unerwartete Werbung hatte sie aus der Fassung gebracht. Sie warf einen Blick auf den jungen Trefflich, der seinen Vater um mehr als Haupteslänge überragte. Botho war ein Bär von einem Mann, mit Schultern, die durch keinen normalen Türrahmen passten, einem fast kugelrunden Kopf, auf dem dünne, hellblonde Haare klebten, und einem rötlichen Gesicht. Einen Adonis konnte man ihn gewiss nicht nennen, auch wenn es weit hässlichere junge Männer gab als ihn. Hätte ihr Vater von ihr verlangt, Botho zu heiraten, wäre sie nicht gerade mit Freuden in diese Ehe gegangen, hätte ihm aber gehorcht. Von Hartmann Trefflich jedoch war es mehr als dreist, sie so unverblümt zu einer Heirat aufzufordern, als wäre sie eine Bauerndirne.
Caterina stellte ihren Weinbecher zurück auf den Tisch, ohne davon getrunken zu haben. »Ich glaube, es gibt hier nichts mehr zu besprechen. Ich habe Euch die Summe übergeben, die mein Vater mir für Euch geschickt hat, und werde Euch nun verlassen.«
Trefflich wies mit einer verächtlichen Geste auf die beiden Lederbeutel, die vor ihm auf der Tischplatte lagen. »So leicht kommt Ihr mir nicht davon, Jungfer Caterina. Dieser Bettel hier wiegt nicht einmal die Hälfte der Summe auf, die ich Franz von Eldenberg für seinen letzten Kriegszug geliehen habe, und von seinen übrigen Schulden habe ich auch noch keinen Heller gesehen. Wenn ich die ausgeliehene Summe bei der Obrigkeit einfordere, wird man mir Euer Land und Eure Burg zum Pfand geben – und dann habe ich das Recht, Euch auf die Straße zu setzen! Unter diesem Gesichtspunkt ist es doch ein großes Entgegenkommen, wenn ich Euch erlaube, meinen Sohn zu heiraten. Der Kaiser wird sich mit einigen Beuteln Gold davon überzeugen lassen, mich oder wenigstens Botho zum Reichsritter oder sogar zum Reichsfreiherrn auf Rechlingen zu ernennen. Eure Kinder hätten dann den gleichen Rang inne wie Euer Vater und Euer Bruder – oder sogar einen höheren. Wenn Ihr vernünftig seid und einwilligt, werde ich auf die Rückzahlung der noch ausstehenden Summe verzichten. Auf diese Weise würde Eurem Vater eine große Last von den Schultern genommen.«
Caterina sprang auf. »Ihr denkt und handelt wie ein Krämer! Wir Eldenbergs aber sind nicht käuflich. Ihr werdet jeden Pfennig Eures verdammten Geldes zurückbekommen, das schwöre ich Euch! Für Euren Sohn sucht Euch gefälligst eine Braut aus Eurem Stand!«
Sie bedachte beide Trefflichs mit flammenden Blicken und rauschte zur Tür. Botho war jedoch schneller als sie und vertrat ihr den Weg. Seine blassen Augen flackerten und er kaute auf seinen Lippen herum, als kämpfe er mit sich selbst.
Im Gegensatz zu ihm plagten seinen Vater keinerlei Skrupel. Er wuchtete sich ächzend aus seinem hochlehnigen, noch mit dem Wappen des ursprünglichen Besitzers geschmückten Stuhl und lachte leise auf. »Oh nein, meine Gute! So leicht kommt Ihr nicht davon. Diese Hochzeit wird stattfinden, ob mit oder ohne Eure Zustimmung! Wenn Ihr erst Bothos Weib seid, wird keiner der elenden Reichsritter und Äbte in unserem Landstrich, die sich heute noch hoch über mich erhaben dünken, weiterhin auf mich herabschauen dürfen. Ich besitze mehr Geld als jeder Einzelne von ihnen – wahrscheinlich sogar mehr als sie alle zusammen! Und doch erlauben sie sich, mich wie einen Wurm zu behandeln, der vor ihnen im Dreck
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