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0514 - Der Schädeltempel

0514 - Der Schädeltempel

Titel: 0514 - Der Schädeltempel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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nicht geglaubt, weil die hörbar lauten Schritte draußen zu provozierend gewesen waren!
    Der Bärtige hatte Zamorra damit hereingelegt.
    Zamorra befand das nicht besonders vergnüglich. Er stürmte aus dem Zimmer. Hinter ihm protestierte Lafitte junior, der sich seiner zwergischen Spielkameraden beraubt sah und das Zamorra übel ankreidete. Aber der Meister des Übersinnlichen war sicher, auf Dauer damit leben zu können. Wichtiger war, den Bärtigen noch zu erwischen, der vermutlich wieder einmal hohnlachend das Weite suchte, um dabei Zamorra als Sklave zu beschimpfen.
    Zamorra eilte auf den Vorhof hinaus. Dort tobte kein drachenschuppiger Pegasus mehr, sondern neben dem Kombi der Lafittes stand ein Motorrad. Es war auch nicht drachenartig aufgestylt, wie Raffael es beschrieben hatte, sondern ein völlig normales Gerät. Eine Harley-Davidson »Electra Glide«.
    Zamorra hob die Brauen. »Na schön«, brummte er. »Wie wäre es, das Versteckspiel zu beenden? Allmählich wird’s langweilig.«
    »Bist du sicher?« erkundigte das Motorrad sich mit recht metallischer Stimme. »Meinem Chef gefällt es, dich ständig an der Nase herumzuführen. Wann merkst du endlich, was hier abläuft?«
    Selbst sprechende Motorräder konnten Zamorra inzwischen kaum noch erschüttern.
    »Sobald ich dich verschrottet habe«, fuhr er die Maschine an - oder was immer es auch in Wirklichkeit war.
    »Das ist eine recht unfeine Vorstellung«, sagte das Motorrad. »Sie wird meinem Chef gar nicht gefallen.«
    »Dann soll er sich mir endlich zeigen«, verlangte Zamorra.
    »Mir nach«, schrie das Motorrad. Der Ständer klappte hoch; im gleichen Moment setzte der Anlasser den Motor in Bewegung, und die Maschine raste an Zamorra vorbei die Treppe hinauf und durch die Tür ins Gebäude.
    Durch die geschlossene Tür.
    Es glitt einfach hindurch, ohne eine Spur zu hinterlassen.
    »Du wirst wirklich langweilig, Alter«, brummte Zamorra. »So etwas hatten wir doch schon einmal, oder?«
    Im ersten Moment wollte er dem Motorrad folgen. Dann aber schüttelte er den Kopf. Er ging zum Kombi hinüber und hockte sich auf die Motorhaube.
    »Ja«, sagte er spöttisch. »Und jetzt bist du wieder an der Reihe, mein Bester. Ich denke, dieser Punkt geht an mich!«
    ***
    Jeanette Brancard hatte das Lokal nur zögernd verlassen. Das Erlebnis hing ihr immer noch nach. Und obgleich die gesamte, vorwiegend männliche Gesellschaft die unangenehme Gelegenheit gehabt hatte, Jeanettes nackten Körper anzustarren, war es ein faszinierendes Abenteuer gewesen. Die Halluzinationen, die Verwandlungen… sie wußte, daß das alles echt gewesen war. Sie hatte ihre nackte Haut unter ihren Fingern gespürt. Da war keine Kleidung mehr gewesen, Kleidung, die nur unsichtbar geworden war! Es war so unfaßbar echt, so wirklich…
    Eine Para-Realität…
    Das war etwas, worüber kaum jemand etwas auszusagen wagte. Es gab keine entsprechenden Seminare, es gab keine ernstzunehmende Literatur. Zumindest war es so, daß auch die Dozenten dieses Phänomen nicht als ernstzunehmend einstuften. Poltergeister und Ektoplasma waren da schon wesentlich akzeptabler. Aber jetzt wußte Jeanette, daß es diesen Bereich der Metaphysik tatsächlich gab.
    Es war fraglich, ob sie damit im Rahmen ihres Studiums etwas anfangen konnte. Selbst Professor Zamorra gab sich, was diese Dinge anging, in seinen Büchern eher zurückhaltend. Das war verständlich. Er war Wissenschaftler, der hatte früher einen festen Lehrstuhl an der Sorbonne gehabt und hielt heutzutage weltweit Gastvorlesungen an größeren Universitäten. Er würde sicher niemals das Risiko eingehen, sich auslachen zu lassen.
    Aber dieses Phänomen hatte stattgefunden. Jeanette mußte mit dem Professor darüber reden. Sie mußte mehr wissen, mehr erfahren. Und dieser Mann, der seinerzeit das Dorf vor der Bedrohung durch Leonardo deMontagne und seine teuflische Magie gerettet hatte, war einfach der geeignete Ansprechpartner.
    Er war zurück zum Château gefahren. Dort wollte Jeanette ihn zumindest an diesem Abend nicht mehr stören. Aber morgen… ein Anruf…? Ein Gesprächstermin? In den letzten Wochen war der Professor wohl häufiger daheim gewesen als sonst. Deshalb schätzte die Studentin die Chancen für ein Gespräch nicht schlecht ein.
    Vor ihr tauchte die nachtdunkle Silhouette ihres Elternhauses auf. Die alten Herrschaften hätten es gern gesehen, wenn Jeanette in den elterlichen Betrieb eingestiegen oder zumindest einen anständigen Beruf

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