052 - Die Leichenkammer des Dr. Sarde
doch Glauben schenken, oder
glauben Sie das nicht, Monsieur Ecole ?«
Eine Pause entstand nach ihren Worten, und es war so still in der Wohnung,
dass man eine Stecknadel hätte fallen hören können.
Sie redete ihn mit einem Mal wie einen Fremden an. Ihre Mimik veränderte
sich. Hass und Schmerz zeigten sich auf ihrem Gesicht. »Schade, Monsieur Ecole,
wirklich sehr schade – ich werde wieder jung sein, heute Abend schon. Sie
hätten mir helfen können – und es wäre kein Schaden für Sie gewesen. Vor
vierzig Jahren war ich eine Frau, die mitten im Leben stand. Die Männer rissen
sich um mich. Heute bin ich alt – wir alle werden einmal alt. Aber man braucht
das Alter nicht als endgültig hinzunehmen. Nicht, wenn man Dr. Sarde kennt ...«
Sie unterbrach sich. Nun hatte sie den Namen, den sie eigentlich verschweigen
wollte, doch ausgesprochen.
Genau in diesem Augenblick, als der Name Sarde fiel, als Mireille die Waffe
hob, um abzudrücken, geschah es. Wie mit einem Donnerschlag wurde die Tür
aufgerissen.
●
Auf der Schwelle stand Larry Brent.
Wie ein Film gingen die nachfolgenden Szenen über die Bühne.
Das Auftauchen des Fremden schaffte fünf Sekunden lang eine Verwirrung, der
die alte Mireille nicht gewachsen war.
Jean Ecole handelte sofort. Er warf sich nach vorn und schlug der Frau die
Waffe aus der Hand.
Mireille taumelte durch den blitzschnellen, heftig geführten Schlag. Sie
verlor das Gleichgewicht und fiel so unglücklich, dass ihr grauhaariger Kopf
auf die Kante der Vitrine schlug. Ohne einen Laut von sich zu geben, stürzte
sie zu Boden.
Ecole starrte auf den Agenten, und seine nächste Reaktion war die, dass er
versuchte, den Revolver zu erreichen, den die Alte hatte fallenlassen.
Larry Brent war eine Zehntelsekunde schneller.
Noch ehe Ecoles Fingerspitzen das kühle Metall der Waffe berührten, kickte
X-RAY-3 den Revolver mit dem Fuß unter das Bett.
»Ich habe Ihnen das Leben gerettet. Wollen Sie sich so bedanken, Monsieur
Ecole?«, fragte der Amerikaner rau.
Ecole schluckte. »Wer sind Sie? Wie kommen Sie hierher? Woher kennen Sie
meinen Namen?«
»Eins nach dem andern, Monsieur Ecole. – Ich habe Sie gesucht – solange,
bis ich Sie fand. Im Büro wusste man nichts von Ihren weiteren Plänen, also
warf ich einen Blick in Ihre Wohnung. Françoise ist ein sehr aufmerksames
Mädchen. Sie hat mir von Mireille erzählt. Also fuhr ich hierher. Nicht umsonst
und gerade rechtzeitig, wie sich herausgestellt hat. Mein Name ist Larry Brent
... Ich bin gekommen, um ein paar persönliche Fragen an Sie zu richten. Ich
wurde Zeuge der letzen Worte, die Mireille an Sie gerichtet hat. So hat sich
meine Mission bei Ihnen grundsätzlich verändert. Ich werde Ihnen gleich alles
erklären ...« Mit diesen Worten ging er auf die reglose Gestalt am Boden zu und
drehte sie langsam auf die Seite.
In diesem Augenblick erst wurde den beiden Männern bewusst, dass Mireille
nicht ohnmächtig – sondern tot war. Sie war so unglücklich gefallen, dass sie
sich das Genick gebrochen hatte.
Benommen hockte Larry Brent vor der Alten, die jetzt im Tode eine
furchtbare Veränderung durchmachte.
Jean Ecole musste sich abwenden, er konnte das Bild nicht ertragen. Er
wurde ständig daran erinnert, dass er diesen Körper in der letzten Nacht noch
geküsst und liebkost hatte. Ein Körper, der sich jetzt, in diesen Sekunden, in
einer schaurigen Auflösung befand ...
Larry drückte der Alten die Augen zu.
Es lief ihm eiskalt über den Rücken, als er sich abwandte.
Er gab Ecole zu verstehen, dass seine Anwesenheit auf dem Kommissariat
erwünscht sei.
Dort machte der Bestattungsunternehmer seine Aussagen. Es bedurfte nicht
mehr vieler Worte. Larry hatte sich bereits seine eigene Meinung über gewisse
Dinge gebildet, und er fürchtete in diesen Sekunden, dass an den Vermutungen,
die X-RAY-1 ausgesprochen hatte, etwas Wahres dran war. Dr. Sarde schien
tatsächlich mit Dr. Clay Morron, dem bekannten amerikanischen Gehirnchirurgen,
identisch zu sein. Morron war durch seine Anwesenheit in Alness vor vier Wochen
mit den Versuchen von Professor Sanders vertraut geworden.
Die Tatsache, dass auch Mireille einige Bemerkungen machte, die Larry zu
denken gaben, verstärkten nur den Eindruck, dass hier ein Besessener
Experimente vornahm, die mit dem menschlichen Gehirn in Zusammenhang standen.
Lecquell war nach der Aussage Ecoles ziemlich benommen.
»Wir müssen abwarten. Uns bleibt nichts anderes übrig.« Der
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