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052 - Die Leichenkammer des Dr. Sarde

052 - Die Leichenkammer des Dr. Sarde

Titel: 052 - Die Leichenkammer des Dr. Sarde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Brent
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anklopfte.
    Als auf sein dreimaliges Klopfen niemand reagierte und öffnete, drückte er
die Klinke herab und stellte zu seiner Verwunderung fest, dass die Tür nicht
abgeschlossen war.
    Er blickte in einen großzügig und geschmackvoll eingerichteten Flur. In der
Wohnung rauschte das Wasser. Die Badezimmertür stand spaltbreit angelehnt. Er
sah die Umrisse der hellen, glatten Haut von Mireille, die sich abbrauste. Er
hörte ihr Prusten.
    Ecole warf einen Blick in das Wohnzimmer. Es war sehr gut und kostbar
eingerichtet. Mireille hatte einige Bilder in Besitz, die von ihrem guten
Geschmack sprachen. Mit ihrer Singerei schien sie nicht gerade schlecht zu
verdienen.
    Die Tür zum Schlafzimmer stand weit offen. Das goldfarben bezogene breite
französische Bett, auf dem unter Umständen auch zwei Personen schlafen konnten,
war noch in größter Unordnung. Ihr Schlafzimmer machte einen etwas
versponnenen, eigenbrötlerischen Eindruck. Es schien eher ein Requisit aus der
Theaterwelt zu sein.
    Ecole wartete hinter der Tür zum Badezimmer. Er hörte, wie Mireille sich
abfrottierte. Dann kam sie heraus. In ein blütenweißes Badetuch gewickelt, den
Kopf turbanähnlich umhüllt. Sie hatte ihre langen blonden Haare eingedreht.
    Offenbar hatte sie noch bis vor wenigen Minuten geschlafen, und er, Ecole,
war gerade hier eingetroffen, kurz nachdem sie in das Badezimmer gegangen war.
    Mireille sah den lautlosen Besucher nicht, der atemlos hinter der Tür
stand. Auf Zehenspitzen schlich er hinter sie, packte das Mädchen blitzschnell
um die Hüften und sagte leise: »Hallo, Cheri!«
    Mireille wirbelte herum. Ein leiser, erschreckter Aufschrei kam über ihre
Lippen.
    Abwehrbereit riss sie die Rechte hoch, um den unerwarteten und frechen
Eindringling sofort entsprechend zu behandeln.
    Sie erstarrte in der Bewegung, und auch Jean Ecole erstarrte. Als wäre der
Körper vor ihm plötzlich mit Elektrizität geladen, ließ er ihn los und wich
zwei, drei Schritte zurück.
    »Mireille?« Er fragte es mit einer veränderten, zitternden Stimme.
    Vor ihm stand eine ältere Frau. Anfang der Fünfzig ...
    Die Angesprochene schluckte. Ein schmerzhafter Zug lag um ihre Lippen.
Unter dem Turban, den sie trug, zeigten sich einige graumelierte Haare.
    Die Ähnlichkeit mit der Mireille, die mit ihm die letzte Nacht in seiner
Wohnung verbracht hatte, war frappierend! Nur das Alter stimmte nicht!
    Die Frau vor ihm sah blass aus. Zahlreiche Runzeln unter den Augen und um
die Mundwinkel. Die Wangen waren welk und ein wenig eingefallen. Sie sah leidend
aus.
    Ihre Mundwinkel verzogen sich. Als sie jetzt rückwärts auf die Wand zuging,
rutschte das blütenweiße Tuch von ihren Schultern.
    Mireille stand neben der Vitrine, zog eine Schublade auf, und ehe Jean
Ecole sich versah, hielt sie einen Revolver in der Hand und richtete ihn auf
den Franzosen.
    »Es tut mir leid, Jean«, sagte sie leise. Ihre Stimme klang stark
verändert, aber dennoch war da etwas im Unterton, das er kannte: eine
Erinnerung an Mireille. »Ich hatte nicht angenommen, dich unter diesen Umständen
wiederzusehen.«
    Wären es nicht diese Worte gewesen, er hätte geglaubt, der Mutter der
Geliebten gegenüberzustehen!
    Er beabsichtigte schon, nach Mireille zu fragen, und sich für sein
Eindringen in die Wohnung zu entschuldigen. Aber er schluckte das, was ihm auf
der Zunge lag. Die Reaktion der ihm gegenüberstehenden Frau sagte genug.
    Die Alte und die Junge – waren
identisch ! Jean Ecole begriff es nicht, er verstand es nicht – aber er nahm
es hin, wie einen Alptraum, aus dem er vergeblich aufzuwachen versuchte.
    »Es hätte alles anders kommen können, Jean. Ich hatte schon einen fest
umrissenen Plan. Nach der letzten Nacht.«
    »Was für einen Plan? Was meinst du, Mireille?« Er erkannte seine eigene
Stimme nicht mehr, und es fiel ihm unsagbar schwer, den Namen Mireille über
seine Lippen zu bringen. »Wieso – weshalb – ich ...« Er suchte vergebens nach
Worten. Er fühlte, dass er der Situation nicht gewachsen war.
    »Es ist ganz einfach, Jean.« Ihre Stimme erschreckte ihn. Sie sprach
selbstsicher und fest, sie wusste genau, was sie wollte. »Wir lieben uns – ich
erinnere mich noch an deine Blicke. Ich kenne meine Anziehungskraft auf die
Männer – ich war einmal schön, sehr schön. Ich sah mit dreißig Jahren aus wie
eine Vierundzwanzigjährige. Ich bin mir meiner Ausstrahlung bewusst. Jetzt bin
ich – nach meinem Geburtsschein und dem Eintrag in meinem Pass – genau 67

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