052 - Großfuß
beschweren. Bis jetzt habe ich diese außerordentlichen Beweise von Aufmerksamkeit als einen Scherz betrachtet, oder ich dachte, daß es jemand wäre, dem ich geholfen habe und der mir auf diese Weise seinen Dank abstatten will.«
Er sprach geläufig und kam sich sehr wichtig vor. Wenn er etwas besonders betonen wollte, so machte er eine entsprechende Handbewegung.
»Ich bin nun zu einem Resultat gekommen und glaube, daß ich meine Ansicht rechtfertigen kann. Diese allwöchentliche Niederlegung von Gegenständen an meiner Haustür bedeutet nicht mehr und nicht weniger als eine niederträchtige, gemeine Beschimpfung eines Menschen, der mich dauernd daran erinnern will, daß ich ein einfacher Lebensmittelhändler bin. Ein erfolgreicher Mann hat immer Feinde. Gewisse Leute, deren Namen ich nicht nennen möchte, ärgern sich darüber, daß ich in den Stadtrat von Kensington gewählt worden bin. Es sind sogar Mitglieder - ich bedaure, es sagen zu müssen - meiner eigenen Kirche. Ich gestehe ganz offen, daß ich in keinem anderen Beruf als im Handel tätig bin. Und diese Beleidigungen sind deshalb ein wenig überflüssig.«
»Zu welcher Zeit werden diese Dinge gewöhnlich auf Ihre Treppe gelegt?« fragte Jim, nachdem er sich vorgestellt hatte.
»Zwischen Mitternacht und drei Uhr morgens. Ich habe verschiedene Nächte gewacht, in der Hoffnung, diesen Schuft auf frischer Tat zu fassen und eine Erklärung von ihm zu fordern. Und wenn ich ihn gefaßt hätte, würde ich ihn dem nächsten Polizisten übergeben haben. Aber meine Nachtwachen hatten keinen Erfolg.«
»Es scheint mir aber doch eine sehr harmlose Beleidigung zu sein«, sagte Jim lächelnd. »Vor allem ist die Sache doch mit Vorteilen verknüpft - Sie erhalten Lebensmittel, die Sie sonst auf dem Markt kaufen müßten!«
»Sie könnten aber doch vergiftet sein«, entgegnete Mr. Bolderwood Lattimer eisig. »Ich habe verschiedene dieser Sachen zu dem öffentlichen chemischen Untersuchungsinstitut geschickt, und obwohl ich gerne zugebe, daß keine Spur irgendeines Giftes entdeckt wurde, ist es doch naheliegend anzunehmen, daß die sogenannten Gaben eine Zeitlang harmlos sind, um mich arglos und zuversichtlich zu machen.«
»Das scheint mir aber nicht der Fall zu sein«, sagte Jim. »Haben Sie denn die Sache der Polizei angezeigt?«
»Ich habe zwei Beamte gesprochen, die Nachtdienst hatten, und habe um ihre Hilfe gebeten, den Mann zu stellen, der mich verfolgt. Aber ich habe keine offizielle Beschwerde bei der Polizei eingereicht.«
»Es wäre doch das beste, wenn Sie einmal mit Ihrem Neffen die Sache besprächen. Soviel ich weiß, ist Sergeant Lattimer mit Ihnen verwandt?«
Ein unangenehmer, fast schmerzlicher Ausdruck zeigte sich in dem Gesicht des Lebensmittelhändlers.
»Wir sind keine Freunde und kennen einander kaum. In seiner frühen Jugend hat John Lattimer ein hervorragendes Angebot, das ich ihm machte, abgelehnt. Ich wollte ihn nämlich in meinem Ladengeschäft anstellen. Natürlich zuerst in untergeordneter Stellung; denn es ist meine Ansicht, daß jemand von unten anfangen muß, wenn er etwas erreichen will. Das ist die amerikanische Methode, eine der wenigen, denen ich zustimme. Und denken Sie, er hat es abgelehnt. Um meines lieben verstorbenen Bruders willen gab ich mir alle Mühe, ihn zu überreden. Aber nein, für diese Art Leben hatte John kein Interesse. Und um seiner Undankbarkeit die Krone aufzusetzen, ist er in den Polizeidienst getreten. Diese Leute sind natürlich sehr brauchbar«, fügte er schnell hinzu, »und ohne ihren Schutz wären wir übel daran. Aber es ist doch nicht gerade der Beruf, den der Sohn meines Bruders ergreifen sollte.«
»Es ist ein sehr ehrenwerter Beruf«, meinte Jim.
Mr. Lattimer zuckte die Schultern.
»Man hört merkwürdige Geschichten«, sagte er ungewiß. »Man weiß nicht recht, was man davon halten soll. Das Gehalt eines Polizei sergeanten ist doch sicherlich nicht sehr hoch, und es scheint mir, daß er es sich nicht leisten kann, in teuren, erstklassigen Lokalen zu Abend zu speisen. Es ist noch keine Woche her, da sah ich John mit meinen eigenen Augen im Ritz-Carlton eine Gesellschaft von vier Herren bewirten, und zwar mit den teuersten Gerichten. Einer von ihnen war, soviel ich weiß, ein Millionär. Verstehen Sie mich recht - ich will niemand anklagen«, sagte er und zeigte mit seinem Finger auf Jims Brust. »Ich sage nur, was man hört. Und obwohl ich sicher bin, daß unsere Polizeibeamten unbestechlich
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