052 - Großfuß
ich Ihnen meinen Freund, Mr. Wells, vorstellen?«
Cardew reichte ihm die Hand.
»Bitte, Lattimer, begrüßen Sie Mr. Wells.«
Der Sergeant trat vor und ging zu den beiden.
»Nun wollen wir aber mit dem Essen beginnen. Die Suppe steht schon auf dem Tisch.«
Sie folgten dem Anwalt ins Speisezimmer. Cardew wies jedem seinen Platz an, und sie setzten sich nieder. Die Suppe war zwar noch nicht serviert, aber das Mädchen schöpfte sie eben auf der Anrichte nebenan in die Teller und teilte sie aus. Der rothaarige Mann schaute vorwurfsvoll auf Super, und dieser hob seinen großen Suppenlöffel.
»Der da«, sagte er mit einem heiseren Flüstern. Dann sprach er mit seiner natürlichen Stimme weiter: »Bevor wir dieses Abschiedsessen beginnen - ich bin erstaunt, daß niemand gefragt hat, wer mein Freund ist.«
»Ich gestehe, daß ich sehr neugierig bin«, sagte Mr. Cardew.
»Erheben Sie sich, Mr. Wells. Reichen Sie dem Anwalt Mr. Cardew die Hand. Mr. Cardew, reichen Sie bitte Mr. Topper Wells Ihre Rechte - dem Henker von England!«
Cardew zuckte zurück, auf seinem Gesicht zeigten sich Abscheu und Entsetzen. Sogar Jim starrte erschrocken auf den mittelgroßen, kräftigen Mann.
»Reichen Sie ihm die Hand, Lattimer, möglicherweise haben Sie ihn schon getroffen und werden noch öfter mit ihm zu tun haben.«
Super schaute den Sergeanten fest an.
»Und rühren Sie die Suppe nicht an, Lattimer - und auch keiner von Ihnen, weil - weil -«
»Was wollen Sie damit sagen?« fragte Cardew.
»Weil sie vergiftet ist!«
Cardew rückte seinen Stuhl vom Tisch, und Jim sah auf seinem Gesicht wieder den Ausdruck von Überraschung und Mißtrauen, den er schon vorher bemerkt hatte.
»Vergiftet?«
»Ja, vergiftet.« Und dann fuhr er fort. »Also reichen Sie Mr. Wells, dem Henker, die Hand ... «
Bevor er die Absicht Cardews erraten konnte, war dieser mit wenigen Sätzen aus der Tür, schlug sie hinter sich zu und schloß sie ab.
»Schnell durchs Fenster«, sagte Super. »Schlagen Sie es mit dem Stuhl ein. Ich wette, daß er die Fensterläden geschlossen hat.«
Lattimer schlug mit einem schweren Stuhl gegen das Fenster und den Laden. Das Glas splitterte, und der Rolladen gab nach. In der nächsten Sekunde war der Sergeant draußen.
»Gehen Sie schnell herum auf die Rückseite«, rief ihm Super nach. »Ich hätte noch viel mehr Leute hierhaben müssen!«
Jim lief aufgeregt umher. Er war außer sich. Cardew sollte der Mörder sein? Das war einfach unmöglich!
Sie eilten in den Wirtschaftshof. Super riß eine Tür auf, die nicht verschlossen war. Jenseits sah er einen Pfad, der sich zu einer Seitenstraße hinunterzog. Es war der Eingang der Lieferanten für die Küche.
Einen Augenblick sahen sie den Kopf Cardews, der sich mit außerordentlicher Geschwindigkeit fortbewegte. Er ragte über die Grenzhecke vor und kam dann außer Sicht.
»Er fährt auf einem Motorrad«, sagte Super. »Es ist dasselbe, das er bei seiner Flucht benützte, nachdem er Hanna Shaw umgebracht hatte. Nur so war es ihm möglich, zu entkommen, ohne Pawsey zu berühren. Er ist über den Feldweg gefahren und hat sein Motorrad über die beiden Zauntritte gehoben, die im Weg waren. Schnell Ihr Auto, Ferraby!«
Super lief zur Bibliothek zurück, aber er hatte kaum den Hörer abgenommen, als er schon wußte, daß die Drähte durchsdmitten waren.
»Der Kerl denkt an alles!« sagte er zu sich. »Er muß doch den Draht schon vor dem Abendessen durchgeschnitten haben. Er glaubte ganz sicher, uns alle in den ewigen Schlaf versenken zu können.«
Als er zur Toreinfahrt zurückkam, stieg Lattimer gerade in den Wagen.
»Halten Sie nicht mehr an«, schrie Super und schwang sich auf das Trittbrett.
An der Wegkreuzung trafen sie eine Polizeipatrouille, aber sie hatte keinen Motorradfahrer gesehen.
»So hat er uns also irregeführt und ist wieder zurückgefahren«, sagte Super und schaute besorgt nach dem Himmel. »In einer halben Stunde wird es stockdunkel sein.«
Der Flüchtling konnte auf drei verschiedenen Wegen entkommen. Der erste führte direkt durch Isleworth, der zweite durch Kingston zum Richmond Park, und der dritte war einer der vielen Feldwege der Nachbarschaft. Super fuhr schnell zur Polizeiwache zurück, um die nötigen Anordnungen zu treffen.
»Cardew hat ein Privatflugzeug für heute abend bestellt, um damit von Croydon nach Paris zu fliegen«, sagte er. »Vermutlich ahnt er, daß wir diesen Plan durchkreuzen werden, also läßt er ihn fallen. Er hat
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