0522 - Er kam aus dem Todesschloß
Hand schlug ich auf den Tisch.
»Und ich werde hinfahren, das sage ich dir.«
»Das wolltest du doch sowieso.«
»Richtig. Und zwar morgen früh.«
»Hat sich daran etwas geändert?«
Ich drückte die Zigarette aus. »Ja, eine Menge sogar. Ich habe mich nämlich entschlossen, jetzt zu fahren. Irgendwie habe ich das Gefühl, es tun zu müssen.«
Glenda schaute mich mit offenem Mund an. »Ist das tatsächlich dein Ernst, John?«
»Mein vollster.«
»Und jetzt?«
»Ich werde zahlen, mich in den Wagen setzen, den Tank vollaufen lassen und losdüsen. Ich nehme den Motorway 11 bis Cambridge und fahre dann in Richtung Norwich. Um diese Zeit sind die Stra ßen ziemlich frei.«
Glenda konnte es noch immer nicht begreifen. »Fühlst du dich denn in Form?«
»Wenn es um Julie geht, immer.« Da der Ober in der Nähe vorbeilief, winkte ich ihm und bat um die Rechnung.
»Sofort, Sir.«
»Ist das was?«
Glenda hob die Schultern. »Ich kann dir natürlich nicht in den Kram hineinreden. Es ist deine Entscheidung, John.«
»Wie hättest du denn gehandelt?«
»Ebenso. – Ich möchte dich bitten, John, nicht allein zu fahren. Nimm mich mit.«
»Was?«
»Ja, ich will mit.«
»Was dann?«
»Ist es nicht unter Umständen besser, wenn sich eine Frau um Julie kümmert?«
»Ja, ja, aber…«
»Die Rechnung, Sir!« unterbrach der Ober meinen Gedankengang.
Ich zahlte und wollte mich wieder an Glenda wenden, als sie sagte:
»Erzähle mir nur nicht, daß es zu gefährlich werden kann. Ich habe in der letzten Zeit einiges hinter mir und lebe noch immer. Mit Dämonen oder anderen finsteren Gestalten werden wir es kaum zu tun bekommen.«
»Da kannst du recht haben.«
»Was hindert dich dann noch?«
Ich lachte auf. »Vielleicht mein Gefühl, es nicht zu tun.«
»Außerdem habe ich ebenfalls noch Urlaub zu bekommen.« Sie stand vor mir auf und ging dorthin, wo wir die Mäntel aufgehängt hatten. Ich kam nicht einmal dazu, ihr in das Kleidungsstück zu helfen.
»Hast du Zahnbürste und frische Wäsche mit?« fragte ich. »Falls wir übernachten müssen.«
»Nein, das können wir aber holen. Soviel Zeit bleibt noch.«
»Wenn du meinst.«
»Sicher.« Sie hängte sich bei mir ein und zog mich in Richtung Ausgang. So energisch habe ich Glenda Perkins nur selten erlebt…
***
Für Kenny Sharp war es einer der großen Tage in seinem neunzehnjährigen Leben gewesen. Er hatte es endlich geschafft, sich ein eigenes Fahrzeug zuzulegen. Zwar nur einen zehn Jahre alten VW Käfer, aber besser schlecht gefahren als gut gelaufen. Und von einem schlechten Fahren konnte man bei dem Wagen wirklich nicht reden. Der Käfer war ein Auto, das noch lief, wenn andere schon ihren Geist aufgegeben hatten. Den brauchte man nur am Zündschlüssel riechen zu lassen, dann kam der Motor.
Der abgeblätterte Lack störte ihn nicht. Kenny würde die Karosserie noch nachstreichen.
Jedenfalls konnte er den Wagen bei einem Händler in Bawdeswell abholen, und er war auch nicht allein hingefahren. Susan, seine siebzehnjährige Freundin begleitete ihn.
Auch Susan empfand er als Glücksfall. Nie hätte er sich träumen lassen, daß ausgerechnet ein Girl wie sie, mit ihm, den dürren Spargeltarzan, wie sie ihn nannten, gehen würde.
Susan war blond wie die Monroe, auch sehr kurvig, und ihr Markenzeichen war trotzdem nicht der Busen, sondern die Brille mit dem roten Gestell, die ihrem Gesicht einen interessanten Ausdruck gab. Die Umrandungen der Gläser waren in der Form von Schmetterlingsflügeln gearbeitet und waren sehr groß.
Erst gegen Abend waren sie dazu gekommen, den Wagen beim Händler abzuholen, der schon sauer war und seinen Laden abgeschlossen hatte. Im letzten Augenblick trafen die beiden ein.
Der Autohändler, ein dicker, schwitzender Mann im grauen Kittel, ließ seinen Blick über Susan gleiten. Dann grinste er fettig.
»Wurde auch Zeit, daß ihr endlich…«
»Wir wurden aufgehalten«, erklärte Kenny.
»Schon gut. Habt ihr das Geld?«
»Sogar bar.«
»Noch besser. Kommt mit.«
Der VW stand am Rand des Geländes. Susan hatte sich bei Kenny eingehakt. Sie war ebenso aufgeregt wie er. Die rote Winterjacke mit dem Steppfutter stand offen. Beide Hälften wehte der Wind nach hinten. »Ich finde es irre toll, daß wir endlich einen Wagen haben.«
»Ja, die Leute werden schauen.«
Der Händler spielte mit den Schlüsseln. Er war neben dem VW stehengeblieben. »Der Ölwechsel ist noch gemacht worden. Wie gesagt, ich würde die Reifen so
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