0528 - Der blaue Tod
die Besinnung.
Zamorra schaffte es noch, den Blaster abzufeuern. Der Betäubungsblitz flirrte zu dem Blauen hinüber, sich vielfach verästelnd, aber er wurde von den zuckenden Schädelblitzen einfach abgefangen, und die Entladungen verfingen sich ineinander und glichen sich gegenseitig aus.
Zamorra schaffte es nicht mehr, den Blaster auf Laserimpuls umzustellen.
Einer der Blitze aus dem Schädel erwischte ihn.
Er wurde vom Boden gehoben, schwebte für eine Ewigkeit frei in der Luft, konnte oben und unten nicht mehr unterscheiden - und dann war es schlagartig schwarz. Daß er zu Boden stürzte, bekam er schon nicht mehr mit. Das einzige, was er noch begriff, war, daß er mit dem Strahlschuß selbst seine Unsichtbarkeit verraten hatte…
***
Als Zamorra wieder erwachte, hockte der Blaue neben ihm. Es war Nacht. Der menschliche Schattenriß leuchtete in fahlem Blau, aber kristallklar war der blaue, leuchtende Totenschädel zu sehen.
Zamorra tastete nach seinem Amulett - ein reiner Reflex aus früheren Zeiten -, dann, als es nicht reagierte, nach der Waffe. Aber er fand sie nicht. Er versuchte sich aufzurichten. Der Blaue verwehrte es ihm nicht. Zamorra entdeckte Nicole nur wenige Meter entfernt. Sie lag da wie tot.
»Warum hast du mich nicht auch umgebracht?« fragte er.
Der Blaue schüttelte verwundert den Schädel. »Warum sollte ich das tun?«
»Du nennst dich Tod. Du hast mich bedroht. Wozu dieses Spiel? Ich gebe zu, du hast es gewonnen. Es wäre nett, wenn du mich nun nicht in Unwissenheit sterben lassen würdest. Aber das hast du ja nicht vor, sonst hättest du mich bereits ermordet, während ich noch bewußtlos war.«
»Ich will dich nicht ermorden«, protestierte der Blaue. Der Unterkiefer des Schädels bewegte sich in einem eigenartigen Rhythmus. »Du mußt da etwas falsch verstanden haben. Außerdem warst du es, der mich ›Tod‹ nannte.«
»Aber…«
»Erinnere dich«, sagte der Blaue. »Du fragtest mich nach meinem Namen. Ich kenne ihn nicht mehr. Ich habe ihn vergessen. Das ist lustig, nicht wahr? Ich lebe über tausend Jahre und habe meinen Namen vergessen. Wer sonst kann so etwas von sich behaupten? Dabei bin ich immer noch ein Auserwählter wie du, und Auserwählte sollten sich gegenseitig nicht bekämpfen. Sie sollten sich helfen. Das will ich, mehr nicht. Ich will dein Problem lösen! Mittlerweile glaube ich, daß du sogar zwei Probleme hast. Ein großes und ein kleines. Aber unter beiden leidest du.«
»Rede endlich Klartext«, verlangte Zamorra. Ein Auserwählter… Lord Saris… der alte schottische Dialekt… seine lautlose, aber vermutlich einseitige Kommunikation mit dem kleinen Sir Rhett… »Du warst… an der Quelle des Lebens?«
»Ich frage mich, ob in deinem Fall die Auslese nicht falsch war«, kicherte der Schädel. »Du hast lange gebraucht, es zu begreifen. Sehr lange. Wenn du immer so begriffsstutzig bist, werden die Schwarzblütigen dich bald umbringen. An mich wagen sie sich schon lange nicht mehr heran.« Er kicherte wieder.
Zamorra setzte sich jetzt endgültig auf. Er versuchte zu begreifen, mit wem er es zu tun hatte. Verrückt. Das war es vermutlich. Es erklärte die Unlogik, es erklärte auch die jüngste Behauptung, die Schwarzblütigen trauten sich nicht mehr an ihn heran. Sie meiden den Wahnsinn. Gestörte Geister vertreiben Dämonen. Und der Geist des Blauen schien tatsächlich nicht mehr so ganz klar zu sein…
»Du hast mich bedroht. Du hast dich in mein Château geschlichen, die Sperren unterwandert…«
»Du hast mich beschworen. Ich wollte das nicht. Ich bin doch kein dämlicher Dämon, den ein Zauberlehrling jederzeit aus der Hölle herbeizitieren kann, damit er ihm aus Blei oder Stroh Gold macht! Ich bin dir deshalb böse, Auserwählter. Du solltest so etwas nicht noch einmal mit mir machen!«
»Du hast mich mit dem Tod bedroht. Du…«
»Ich habe dir den Tod als Lösung deines Problems angeboten. Ich kann den Tod bringen. Vertraue mir. Seit ich Schädel bin, kann ich töten. Was dich bedrückt, lösche ich aus. Sage mir dein Problem, und ich gebe ihm den Tod.«
»Moment mal.« Zamorras Augen weiteten sich. »Kannst du das noch einmal genauer erklären?«
»Du hältst mich immer noch für einen Dämon«, klagte der Blaue. »Wäre ich einer, würde ich doch jetzt kaum mit dir diskutieren, oder?«
»Wie kann ich dir trauen?« fragte Zamorra. Wie kann ich einem Verrückten trauen? Was er mir verspricht - ist es nicht nur etwas, das seiner eigenen
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