0528 - Der blaue Tod
brachte ihm den Beweis.
Er sah nur eine Person. Aber im Gras gab es zwei Spuren!
Zamorra ließ sich von einem Unsichtbaren begleiten!
Aber plötzlich gab es drei Spuren, vier, fünf…
Da wußte der Auserwählte nicht mehr, woran er war. Er mußte Zamorra Anerkennung zollen. Diesen Trick durchschaute er nicht …
***
Nicole bemerkte den Fehler, als sie bereits mehr als einen halben Kilometer gegangen waren. Sie hatten zwei Zäune überklettert und durchschritten jetzt eine Wiese mit halbhohem Gras, immer in der angenommenen Richtung - ob sie stimmte oder nicht, war unwichtig. Da der Blaue sie zwischendurch telepathisch abtastete, sie also gewissermaßen beobachtete, würde er Zamorras »guten Willen« erkennen und sich darauf einstellen. Davon ging zumindest Zamorra aus.
Nun sah Nicole, daß nicht nur sie, sondern auch der unsichtbare Zamorra eine Spur im hochstehenden Gras hinterließ!
Daran konnte auch Zamorras Unsichtbarkeit nichts ändern. Sie machte ihren Gefährten auf das Problem aufmerksam, gleichzeitig aber schuf sie mittels des Dhyarra-Kristalls weitere Spuren. Eine dritte, vierte, fünfte…
»Übernimm dich nicht!« warnte Zamorra. »Du mußt dich darauf konzentrieren, daß der Kristall dir weiterhin mein Aussehen gibt. Wenn du deine Kräfte verzettelst, bricht die Illusion zu früh zusammen, und alles war für die Katz’…«
»Ich schaffe das schon. Gras flachzudrücken ist nicht weiter schwierig. Aber wir sollten uns trennen. Die Spuren müssen weiter auseinanderfächern, das wird den Blauen zusätzlich irritieren.«
»Aber dann gibt es später Probleme mit dem Dialog.«
»Wenn du die vermeiden willst, wirst du jetzt fliegen müssen«, eröffnete Nicole ihm. »Kannst du das zufällig?«
Der Parapsychologe winkte ab. Er änderte seine Richtung, entfernte sich etwas von Nicole. Die ließ die Spuren ebenfalls auseinanderweichen. Dabei hoffte sie inständig, daß es bald zu einer Entscheidung kam, bevor ihre Kräfte sie verließen. Sie wußte jetzt schon kaum noch, wie sie es schaffen sollte, die zusätzliche Belastung zu überstehen, auch wenn sie Zamorra zu beruhigen versucht hatte. Aber sie waren nun so weit gegangen, daß es Unsinn gewesen wäre, das Experiment abzubrechen und aufzugeben. Sie wollte ja jetzt selbst wissen, ob der Blaue auf den Trick hereinfiel oder nicht.
»Ich falle nicht darauf herein«, sagte eine Stimme hinter ihr. Sie fuhr herum. Der blau gekleidete Mann stand unmittelbar hinter ihr. Er mußte förmlich aus dem Boden emporgewachsen sein - für ihn sicher kein sonderlich großes Problem. Er fuhr fort: »Ein guter Trick, aber nicht gut genug, Zamorra. Ich hatte dich darauf hingewiesen, daß du allein kommen solltest. Das hast du nicht getan. Du hast versucht, mich hereinzulegen. So etwas mag ich überhaupt nicht.«
Nicole hoffte, daß Zamorra mitgehört hatte. Da sie wußte, in welcher der Spuren er sich befand, warf sie einen Blick in seine Richtung. Ihre Hoffnung wurde erfüllt. Er antwortete dem Blauen!
»Es ist mein Recht, mich gegen deine Tricks zu wehren. Schade, daß du meinen durchschaut hast. Aber vielleicht können wir uns jetzt endlich vernünftig unterhalten. Du solltest nicht den Fehler begehen, mich anzugreifen.«
Noch während er sprach und Nicole die Lippen bewegte, wußte sie, daß sie beide nicht synchron waren. So gut sie sich kannten und aufeinander eingespielt waren - diesmal hatte sie einen anderen Text gesprochen. Natürlich merkte der Blaue sofort, daß Lippenbewegungen und gesprochenes Wort nicht übereinstimmten. Außerdem fiel ihm auf, daß die Worte aus einer anderen Richtung kamen; sie hatten sich zu weit voneinander entfernt.
»So ist das also«, stieß der Blaue hervor. »Auf diese Weise wolltet ihr mich hereinlegen! Ihr wollt mich töten. Das kann ich nicht zulassen.«
Noch ehe Zamorra oder Nicole etwas tun konnten, ging eine Veränderung mit ihm vor. Er verwandelte sich. An der Stelle eines menschlichen Körpers erschien ein riesiger blauer Schädel, der von Blitzen umzuckt wurde. Blitze, die auch nach Zamorra und Nicole griffen. Von einem Moment zum anderen brach der Zauber zusammen. Nicole schrie auf. Der Dhyarra-Kristall entfiel ihrer Hand. Sie griff nach ihrer Stirn, nach den Schläfen, und ihre Knie gaben unter ihr nach. Kraftlos stürzte sie ins Gras. Eine Welle unglaublich starker magischer Energie glitt über sie hinweg, löschte die Reste der Illusion und ließ sie abermals aufschreien. Der Schrei verstummte; sie verlor
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