053 - Schrei, wenn dich der Hexentöter würgt
Rück- und Vordersitz
und betätigte dann die Zündung. Er fuhr mit abgeblendeten Lichtern.
Niemand begegnete in dieser Nebelnacht dem Fahrzeug,
das an einer einsamen Stelle stoppte.
Neben einer alten, bröckeligen Mauer, die vom Zahn der
Zeit schon erheblich angenagt war, verließ der Fahrer den Wagen und trug die
immer noch bewußtlose Petra Zeller hügelan durch einen Wald. Eine Lichtung
zwischen dichtstehenden Baumgruppen erwies sich als gespenstische Kulisse.
Zwischen wallenden, aufsteigenden Bodennebeln und dem
bleichen Schein des vollen Mondes war ein düsterer Aufbau zu erkennen. Ein
galgenähnliches Gerüst! Darunter war ein Berg von trockenem Reisig und
Holzscheiten aufgeschichtet. Ein uneingeweihter Beobachter hätte an einen
Scheiterhaufen, wie er im Mittelalter zum Verbrennen von Hexen errichtet worden
war, geglaubt. Vielleicht war hier irgendwo eine Kamera versteckt, um die Szene
zu filmen. Sicher eine nervenkitzelnde Aufnahme für einen einschlägigen Film!
Aber dieser Beobachter hätte vergebens nach
Kameramann, Schauspieler und Regisseur gesucht. Hier wurde kein Film gedreht. Was
hier geschah – war grausige und erschreckende Wirklichkeit. Die Zeit schien
rückwärts gegangen zu sein; der seltsame Aufbau, der Scheiterhaufen, die stille
neblige Vollmondnacht – Requisiten einer längst vergessenen Zeit. Der mit einem Umhang bekleidete Fremde war selbst ein Überbleibsel aus
der Vergangenheit. Sein schwarzer, breitrandiger Schlapphut verdeckte das
fratzenhaft starre Gesicht... Nur das ohnmächtige Mädchen erinnerte daran, daß
man das zwanzigste Jahrhundert schrieb.
Der Unheimliche kramte eine Kordel aus der Tasche und
fesselte die Hände und die Fußgelenke des Mädchens. Dann schlang er das dicke
Seil um die Armgelenke und ließ die Bewußtlose auf den Scheiterhaufen fallen.
Unter Aufbietung aller Kräfte zog er an dem Tau, das am linken Pfosten des
Galgens hing. Der Körper schleifte über das scharfkantige, harte Holz und zerkratzte Petras Haut. Dann wurde sie von dem
primitiven Aufzug langsam in die Höhe gezogen.
Sie hing, den Kopf auf die Seite gelegt, genau unter
dem Mittelpfahl des Gerüstes, und ihre Füße berührten die obersten
Reisigbündel. Sie waren feucht. Aber nicht vom Tau. Das Benzin war zuvor schon
über das aufgeschichtete Holz geschüttet worden, damit der Scheiterhaufen auch
wirklich hell aufloderte.
Petra Zeller öffnete die Augen. Das Reißen und Zerren
in den Gliedern störte sie. Im ersten Augenblick war sie der Überzeugung, daß
sie eingeschlafen war und schlecht im Bett läge. Sie wollte die Arme
herunternehmen. Die Schwere und Gefühllosigkeit in ihren Armen nahm ständig zu.
Das Mädchen verzog das Gesicht. Petra war benommen,
glaubte zu träumen und hatte nur den einen Wunsch, endlich aufzuwachen. Aber
sie konnte nicht.
Petra warf den Kopf herum und bemerkte, daß ihre Hände
gefesselt waren und daß sie an einem Gerüst hing.
Sie kniff die Augen zu einem schmalen Strich zusammen
und versuchte verzweifelt, sich daran zu erinnern, was in der unmittelbar
zurückliegenden Vergangenheit geschehen war. Blitzartig kam es ihr in den Sinn.
Das Ereignis in ihrem Zimmer! Der mit einem schwarzen Umhang bekleidete Fremde!
Das fratzenhafte Gesicht! Ein Stöhnen kam über ihre bleichen, trockenen Lippen.
Sie zuckte zusammen, als ihr Blick an ihrem Körper nach unten ging. Plötzlich
stieg brenzliger Geruch in ihre Nase, und sie hörte ein Knistern. Dann ging
alles blitzschnell...
Es war, als hätte der geheimnisvolle Fremde nur auf
den Augenblick ihres Erwachens gewartet.
Er verschwand hinter einem mächtigen Buchenstamm, als
die Flammen loderten. Petra Zeller fühlte und erkannte ihre Lage, aber sie
begriff nicht, und ihr Verstand setzte aus. Die grellen Flammenzungen wuchsen
zu gewaltiger Höhe an; die Hitze schlug über Petras Körper zusammen wie ein
glühender Mantel. Die Luft wurde ihr knapp. Petra Zeller versuchte die Beine
anzuziehen, aber ihr fehlte die Kraft. Rasende Schmerzen peitschten ihren
Körper. Die Welt um sie herum war ein Flammenmeer. Das Mädchen schrie. Angst
und Entsetzen packten sie, als sie begriff, daß dies kein Traum war, sondern
furchtbare, gespenstische Wirklichkeit. „ Hiiiilfeee! Hiiilfeee! “ Petras
Schreien hallte durch das einsame Wäldchen und verlor sich in der Tiefe der
Finsternis und des Nebels.
●
Der junge Mann war sofort hellwach, während seine
Begleiterin, die in dem Schlafsack neben ihm lag, leise seufzte und
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