053 - Schrei, wenn dich der Hexentöter würgt
sich! Das
war nicht verwunderlich. Angelika Foller unterließ alles, was den Anschein
erwecken konnte, daß es besser war, sie nicht aus den Augen
zu lassen. Sie legte sich zurück, starrte zur Decke und harrte der Dinge, die
da kommen sollten. Sie wußte, daß sie nicht phantasierte. Wenn erst mal die
Polizei da war, dann würde sich alles klären. Da war das Zelt, da gab es den
Scheiterhaufen und die verkohlte Leiche, da gab es Heinz Mertens... Der Gedanke
an den Freund trieb ihr die Tränen in die Augen.
Karl Zeller verließ das Wohnzimmer und stieg die
schmale Treppe hinauf, nicht ohne vorher seine Frau durch einen stummen Blick
zu verständigen, daß sie die Fremde auf keinen Fall aus den Augen ließ...
Karl Zeller klopfte an die Tür, hinter der er seine
Tochter Petra schlafend vermutete. Vergebens wartete er auf eine Erwiderung
oder auf ein Geräusch. Alles blieb still. Die Tür war verschlossen. Das war
normal. Nicht normal aber war, daß Petra sich so still verhielt. Zeller holte
einen Zweitschlüssel, steckte ihn ins Schloß und schob solange, bis er den
Schlüssel, der von innen steckte, durchstoßen konnte. Dann ließ sich die Tür
öffnen. Von der Schwelle starrte er in den düsteren Raum. Der Mond stand hinter
dem bewaldeten Hügel, und das bleiche Licht drang ebenso in das modern
eingerichtete Zimmer wie die wabernden Nebelschleier, die durch die
sperrangelweit geöffnete Balkontür wehten. Karl Zeller schluckte. Unwillkürlich
öffnete sich sein Mund. Das Bett seiner Tochter war unberührt , das
Zimmer leer... „Petra?“ murmelte er. Dann eilte er hinaus auf den
Balkon, starrte über das Geländer und sah die am Boden liegende Leiter. Für
einen Augenblick setzte sein Herzschlag aus. Siedendheiß stieg es in ihm auf.
Er dachte an die unwahrscheinlich verrückte Geschichte
der Fremden, die unten auf der Couch lag, und diese seltsame Nacht bekam einen
Stich ins Gespenstische und Unheimliche. Es war jene Nacht, die Karl Zeller in
seinem Leben nie mehr vergessen würde... Er eilte die Treppe hinunter. Sein
Gesicht war totenbleich. „ Petra ist weg !“
Die Frau preßte die Hand vor die Lippen, um einen
leisen Aufschrei zu unterdrücken. Ihre Blicke suchten die Fremde auf der Couch,
als könnte sie eine Antwort auf das mysteriöse Verschwinden ihrer Tochter
geben.
„Ich fahre sofort nach Filsum.“ Karl Zellers Stimme
klang fest. Er schlüpfte in ein Jackett, fuhr sich flüchtig mit gespreizten
Fingern durch sein dichtes, ein wenig gewelltes Haar. „Laßt sämtliche Türen und
Fenster geschlossen! Öffnet auch nicht, wenn ihr draußen etwas hört!“ Der Mann
machte mit einem Mal einen ganz anderen Eindruck. Er fuhr sich mit der Zunge über
seine spröden Lippen. Dann wandte er sich an Angelika. „Es kann ein Zufall
sein, ich weiß es nicht. Sie haben mir etwas erzählt von einem Hexentöter .
Ihre Geschichte hörte sich an wie eine Schauerstory der Vergangenheit. Sie sind
blond. Petra war blond. Der Mann, der Sie verfolgte, hat ausdrücklich Ihre
blonde Haarfarbe erwähnt und hat Sie als Hexe bezeichnet. Ich weiß nicht, was
geschehen ist, aber ich habe plötzlich ein ungutes Gefühl. Ich hoffe nur, daß
Petra nichts mit dem zu tun hat, was Sie gesehen haben...“ „Sie glauben mir
also?“ fragte Angelika zweifelnd. Karl Zeller nickte. „Ich versuche es, so
schwer es mir fällt. Aber die Tatsache, daß meine Tochter, die nachweislich um
Mitternacht nach Hause kam, nicht mehr anwesend ist, ist zumindest genauso
ungewöhnlich wie die Geschichte, die Sie mir erzählt haben...“ Eine Stunde
verging, ehe Karl Zeller zurückkam. In seiner Begleitung befanden sich zwei Polizisten
und ein Kriminalbeamter in Zivil. Außer dem Polizeifahrzeug traf um diese frühe
Morgenstunde noch ein Krankenwagen ein, in dem zwei Sanitäter und ein Arzt saßen.
Der Arzt kümmerte sich sofort um die Patientin. Nach den Aussagen Karl Zellers
hatte es der Kriminalbeamte Wergh für notwendig gehalten, einen Arzt zu
informieren. Der Doktor wurde ernst, als er Angelika Foller untersuchte. „Sie
ist hochgradig erschöpft und leidet aller Wahrscheinlichkeit nach unter einem
Schock“, bestätigte er Wergh. Der Beamte war Anfang der Vierzig, ein Sportstyp, weltoffen und
aufgeschlossen. Der Arzt vermutete außerdem ein Nervenfieber und veranlaßte die
Einlieferung der Patientin in das Filsumer Krankenhaus.
Wergh wollte ein paar Worte mit Angelika Foller
sprechen. Der Arzt erlaubte es. „Nur das Notwendigste,
Weitere Kostenlose Bücher