0533 - Julians Zauberschwert
HEREINGELEGT UND VORGEFÜHRT HABT WIE DER DOMPTEUR DEN BÄREN AN DER NASENKETTE.«
Etwas, das Zamorra nie für möglich gehalten hatte, geschah: Merlin sprang auf, war mit einem Satz an der Tür und hielt den Träumer am Arm fest. »Was soll das heißen, Julian?« stieß er erregt hervor, und Zamorra hätte sich kaum gewundert, wenn »Rede, oder ich prügele jede Silbe aus dir heraus« gefolgt wäre. Er hatte den weisen, greisen Merlin nie so wütend, so agil, so aktiv erlebt, kannte ihn nicht wieder.
»Laß mich in Ruhe, alter Mann«, sagte Julian, streifte mit einer funkensprühenden Bewegung Merlins Hand ab und verschwand in einem Lichteffekt. Merlins Hände, Arme, Schultern, sanken herab.
»Hat er den Verstand verloren?« stammelte Merlin entsetzt. »Ich habe eine solche Behandlung nicht verdient!«
Zamorra nickte.
Er befestigte Merlins Stern an seiner Halskette und schloß die Knöpfe seines Hemdes darüber. Seines Hemdes? War er nicht eben noch völlig nackt gewesen? Ausgezogen, ausgeplündert von den Priestern im Tempel der Kälte?
Und es gab keine Wohn-Eier mehr in der alten Druiden-Stadt, sondern nur die Organhäuser, und einen Tempel der Kälte gab es auch nicht mehr.
Er berührte das Amulett, verschob eines der winzigen magischen Zeichen, das anschließend sofort in seine ursprüngliche Position zurückglitt, und formulierte die konzentrierte gedankliche Frage: Ich habe dich mehrmals gerufen . Warum bist du dem Ruf nicht gefolgt? Soll ich dich Merlin zur Verschrottung übergeben? Die Gelegenheit wäre jetzt äußerst günstig…
Sekundenlang herrschte telepathische Ruhe. Aber dann bequemte sich das künstliche Bewußtsein im Amulett, von der haltlosen Drohung recht unbeeindruckt, doch endlich zu einer Antwort.
Ich wollte dem anderen nicht begegnen. Du hattest mir versprochen, eine solche unliebsame Begegnung würdest du künftig verhindern. Aber jener, bei dem du mich fandest, ist mit dem anderen eng verbunden. Warum nur mußte ich schon wieder Shironas Nähe fühlen?
»Julian?« stieß Zamorra hervor, der ahnte, wovon das Amulett »sprach«. Das »andere« war eine magische Entität, mit der das künstliche Bewußtsein von Merlins Stern grundsätzlich nichts zu tun haben wollte und deshalb, vielleicht aus Trotz, Zamorra monatelang den Dienst verweigert hatte. Aber – Shirona?
Zamorra wußte, daß er auf eine diesbezügliche Frage keine Antwort bekommen würde.
Genau so war es…!
»Was ist hier geschehen?« fragte Zamorra statt dessen.
Ich wurde wieder einmal zur Kooperation gezwungen. Sei froh, daß diesmal nicht du dafür verantwortlich bist. Aber du solltest mich nicht noch einmal in eine derartige Situation bringen.
»Was ist geschehen?« wiederholte Zamorra seine Frage.
Das Tor des falschen Lebens wurde geschlossen. Ich wußte bisher selbst nicht, daß das FLAMMENSCHWERT dazu in der Lage ist. Würdest du mich nunmehr endlich mal ein wenig in Ruhe lassen?
Die Frage war rhetorisch. Das Amulett würde sich so oder so zurückziehen.
»Das FLAMMENSCHWERT«, murmelte Zamorra. Es fiel ihm schwer, das zu glauben. Das FLAMMENSCHWERT entstand normalerweise aus einer unmittelbaren mentalen Verbindung des Amuletts mit Nicole Duval und war dann die ultimate Waffe magischer Art. Aber bislang hatte sich der Einsatz des FLAMMENSCHWERTES noch nicht kontrolliert durchführen lassen. Es entstand praktisch, wenn »ihm« danach war. Aber in diesem Fall – Nicole war nicht hier! Also konnte sich theoretisch auch das FLAMMENSCHWERT nicht bilden.
Trotzdem hatte es eingegriffen!?
Ein Rätsel mehr…
Draußen auf dem Silbermond gab es keinen Tempel der Kälte mehr. Keinen Orrac Gatnor, keinen Priester. Ti-Ak Shats war spurlos verschwunden, ohne von Reek Norr vermißt zu werden.
Nach ihm befragt, sah Norr Zamorra nur erstaunt an und fragte: »Kannst du die Toten nicht ruhen lassen?«
Zamorra wandte sich Merlin zu.
Der konnte nicht einmal sagen, warum er hier war, und erst recht nicht, wie er ohne Julian hierher gekommen war. »Ich hatte den Eindruck, daß der Silbermond stirbt«, sagte er und zeigte sich heilfroh, daß der zornige junge Mann nicht nur für Zamorra, sondern auch für ihn einen Weg zurück freihielt. »Aber seltsamerweise weiß ich, daß ich einen Weg gefunden habe, auf dem ich hin und zurück kann, ohne auf den Träumer angewiesen zu sein…«
Aber alles war in Ordnung…
Sie verabschiedeten sich voneinander.
»Gib acht«, warnte Merlin dabei. »Nicht immer ist alles so, wie es
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