054 - Die Gespenster-Dschunke von Shanghai
Rhythmen. Es wurde getanzt, gelacht und getrunken. Aber das war noch
nicht alles.
Toshika
hatte neuen Stoff. Die meisten hatten schon ihr Quantum abbekommen, glaubten
auf Wolken zu schweben und liefen abwesend und mit verklärtem Blick durch die
Wohnung. Irgendwo in einer stillen Ecke, in einem Bett oder auf einer Matratze
ließen sie sich dann nieder, um mit starrem Blick herumzuhocken und ihren
Träumen nachzuhängen. Als Takato mit seiner Kusine auftauchte, wurde er
noch mit lautem Hallo empfangen und herumgereicht wie ein seltener
Gegenstand, den man einfach betrachtet haben mußte. Man bot ihm auch gleich
etwas zu trinken und Zigaretten an. Mit beidem war Takato vorsichtig und nippte
nur an seinem Glas, auch Keiko Yamada, die die schwierige Aufgabe übernommen
hatte, ihren Schützling wieder heil aus dieser Welt herauszubringen, blieb
einzige gespannte Aufmerksamkeit. Das Interesse, etwas über Takatos Kur zu
hören, war momentan groß, legte sich aber auch ebenso schnell wieder, da es in
diesem Freundeskreis, in dem Keiko sich überhaupt nicht wohl fühlte,
zuviel andere Abwechslung gab. Keiner machte einen Hehl daraus, daß er
Rauschgift nahm.
Toshika,
ein zierliches, zerbrechliches Mädchen mit heller Haut und schwarzen
Kirschaugen, war äußerst großzügig. Ihr schienen unbegrenzte Geldmittel zur
Verfügung zu stehen. Sie plauderte mit heller Stimme und hatte einen entrückten
Gesichtsausdruck. Sie war sanft und zärtlich wie eine Katze, und ging Jasiro
Takato um den Bart. Man merkte ihr an, daß sie, wie die meisten, schon von der
neuen Droge genommen hatte. Wer kam, verschwand in der kleinen Küche, wo auf
einem Tablett aufgezogene Spritzen lagen, die freigiebig jedermann zur
Verfügung standen.
Die
Droge machte die hier Versammelten abwesend, gleichzeitig aber auch zugänglich
für bestimmte Fragen, deren Sinn sie nicht mehr so recht begriffen, und über
die sie nicht nachdachten, weil ihnen im Rausch die Fähigkeit zum
Differenzieren fehlte. Dennoch glaubte Keiko, hier einen Schritt weiterzukommen
in ihrem Wissen um die Dinge, die vor Monaten zur Wende in Takatos Leben
geführt hatten. Sie kam weiter. Allerdings auf eine recht ungewöhnliche Weise.
Im schummrig-farbigen Licht, wie es üblich in drittklassigen Nachbars ist,
tauchte der erste auf. Er hatte einen Drachenkopf! Keiko Yamada sah sofort, daß
sich niemand einen Ulk erlaubte und sich einfach eine Maske vors Gesicht
gezogen hatte, sondern daß der Drachenkopf echt war.
●
Der
Mann mit dem Schädel kam auf die PSA-Agentin zu. Takato, den sie die ganze Zeit
nicht aus den Augen ließ, stöhnte dumpf. »Keiko«, entrann es seinen Lippen. »Es…
fängt schon wieder an…« Er schloß und öffnete die Augen mehrmals
hintereinander und wischte sich darüber. Der Eindruck blieb! Takato packte
Keiko fest am Arm. »Du bist in Ordnung, Jasiro«, stieß sie hervor. »Mir geht es
wie dir… ich sehe dasselbe…« Und es war nicht nur bei dem einen so. Es kamen
noch mehr, und sie sahen alle gleich aus. Sie hatten nicht nur ihr Aussehen
verändert, sondern auch ihre Wesensart. Sie waren – aggressiv.
Diese
Aggressivität richtete sich gegen die beiden letzten im Kreis, die anders waren
als sie. Für die hier Versammelten war das, was geschah, offenbar vertraut.
Keiner schrie los, keiner drehte durch. Sie waren eine geschlossene,
verschworene Gemeinschaft, und Jasiro Takato und Keiko Yamada waren darin Außenseiter.
»Das Rauschgift…«, murmelte X-GIRL-I entsetzt, und es fiel ihr wie Schuppen von
den Augen. »Es muß etwas enthalten, das uns unbekannt ist… eine fremde
Substanz. Es bewirkt, daß sie monsterhaft werden…. daß sie den legendären
Drachenmännern der Gespenster-Dschunke von Shanghai ähnlich werden!« Auch
Takato hatte damals von diesem veränderten Rauschgift genommen. Einmal genügte
offensichtlich um immer wieder ein Geschöpf mit knöchernem Drachenkopf werden
zu können. Oder, um eines zu sehen! Takato hatte den Fahrer des Leichenwagens
erblickt. Takatos Organismus war noch immer vergiftet. Von Zeit zu Zeit machte
es sich bemerkbar, und mit den herkömmlichen Untersuchungsmethoden war diese
spezielle Sache nicht erkannt und aufgespürt worden. Offenbar war es nur
Zufall, daß Takato sich in der Anstalt kein einziges Mal in einen Drachenmann verwandelt hatte. Wahrscheinlich war der Reiz, dem er seinerzeit ausgesetzt
war, nicht stark genug gewesen. In diesem Luxus-Apartment aber wurden
regelmäßig Rauschmittel genommen,
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