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054 - Josephas Henker

054 - Josephas Henker

Titel: 054 - Josephas Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Earl Warren
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im Speisesaal starrten Paul und Josepha an. Sie tuschelten erregt miteinander, stießen sich an, zeigten sogar mit den Fingern auf das Paar. Die Männer hatten alle die Fünfzig schon hinter sich. Auch die Frauen waren nicht jünger. Es waren einfache, derb gekleidete Bauern und Bäuerinnen, die im Gasthaus ihren Dämmerschoppen tranken. Oder hatten sie auf etwas gewartet?
    Paul stand auf.
    „Ich weiß nicht, was hier vorgeht oder was Sie gegen uns haben“, sagte er zu den merkwürdigen Gästen.
    „Aber wenn Sie sich weiter so benehmen, werde ich böse. Also, heraus mit der Sprache, was geht hier vor?“
    Die sechs Leute erhoben sich und gingen zur Tür. Demonstrativ und ohne Paul eines Wortes zu würdigen. Ihre halb geleerten Gläser ließen sie stehen.
    An der Tür drehte sich eine Frau um, eine Person mit fahlem, ungesundem Teint und wirrem schwarzem Haar. Natürlich hatte sie auch eine Warze auf der Nase, stellte Paul fest.
    Sie deutete mit dem Zeigefinger auf Paul und sagte: „Warringer, hüte dich vor Josepha. Hüte dich vor ihrer Rache!“
    Dann waren die sechs verschwunden. Josepha schluchzte auf. Paul eilte zu ihr, setzte sich neben sie. Er hielt ihre Hände.
    „Aber Darling, was ist denn? Was hast du denn? Die Leute sind doch weg. So beruhige dich doch.“
    „Hast du nicht gehört“, schluchzte Josepha, „sie kennen uns. Sie wissen, wer wir sind. Sie wußten, daß wir kommen.“
    „Aber, aber, das hat doch gar nichts zu bedeuten.“
    Doch auch Paul war die Sache unerklärlich. Er hatte nirgends seinen Namen oder den Josephas genannt. Sie waren rein zufällig in dem kleinen Ort. Woher kannten diese Leute ihn und seine Frau? Und was sollte das Gerede von Josephas Rache?
    Da hörte Paul einen Schrei vor dem Gasthof. Den Schrei einer Frau. Er lief hinaus. Im Mondlicht sah er die sechs Leute, die gerade den Gasthof verlassen hatten. Die große, schwarzhaarige Frau stand in ihrer Mitte, stützte sich auf einen der Männer. Ein leises Stöhnen kam über ihre Lippen.
    „Du weißt doch, daß du nicht reden darfst“, sagte der Mann.
    Die sechs warfen einen scheuen Blick auf Paul, der in der Tür des Gasthofs stand, und gingen weiter. DieFrau humpelte schmerzverkrümmt. Paul ging zurück in den Speisesaal.
    Der Wirt stand bei Josepha. Er hatte auf einem Tablett kalten Schweinebraten, einen Laib Bauernbrot und einen Krug Wein gebracht.
    Josepha wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Sie war der einzige Lichtblick in dieser düsteren Atmosphäre mit ihren flammendroten Haaren, der hellen Bluse und dem lindgrünen Minirock. Dazu trug sie helle Lacklederstiefel. Sie war schön, und Paul wußte, daß er sie liebte, wie immer wenn er sie ansah.
    „Sei ruhig, Darling“, sagte er, „diese merkwürdigen Reden der Leute haben sicher eine ganz einfache Erklärung. Solange ich bei dir bin, hast du jedenfalls nichts zu befürchten. Komm und iß.“
    Das war leichter gesagt als getan. Der Rotwein war herb und sauer, das Bauernbrot altbacken, das Schweinefleisch zäh.
    Paul schob schließlich die gesamte Mahlzeit zur Seite und sagte: „Komm, Josy, machen wir einen Spaziergang in der frischen Luft. Mein Kopf ist schon ganz wirr und schwer in diesem düsteren alten Gemäuer.“
    Josepha hatte kaum etwas gegessen. Sie stand auf, hakte sich bei Paul ein, und sie gingen aus dem düsteren Gasthof hinaus in die Nacht.
     

     
    Nach der Hitze des Tages war es kühl geworden. Die Straßen des Ortes lagen wie ausgestorben. Nur hinter wenigen Fenstern brannte noch Licht. Von Zeit zu Zeit kam der Mond zwischen den jagenden Wolkenfetzen hindurch. Es war still, unheimlich still. Kein Auto fuhr, kein Fernseher oder Radioapparat war zu vernehmen.
    So still und ausgestorben waren die kleinen Orte vor ein paar hundert Jahren, dachte Paul.
    Ein paar Hunde bellten. Josepha schmiegte sich eng an Paul. Sie hätte viel darum gegeben, irgendwo anders zu sein, in einer Stadt, und nicht in diesem düsteren, kleinen Ort. Sie dachte an den tosenden Verkehr in Chikago, an die Lichtreklamen und die vielen Menschen. Hier war nur Dunkelheit und Stille. Ein finsteres Nest.
    Paul sprach kein Wort. Auch er hing seinen Gedanken nach. War er hier schon einmal gewesen? Nein, nie; und doch kannte er den Ort. Jetzt gab es keinen Zweifel mehr. Diese Dunkelheit, Einsamkeit und Stille kannte er. Vielleicht aus einem Alptraum, fern in seiner Kindheit, vielleicht aus einer düsteren unterschwelligen Ahnung, die ihn sein Leben lang begleitet hatte.
    Paul

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