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054 - Josephas Henker

054 - Josephas Henker

Titel: 054 - Josephas Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Earl Warren
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war Josepha leidenschaftlich, doch diesmal war sie wie toll. Sie drängte sich Paul entgegen, als er in sie eindrang, und er spürte ihre Nägel und Zähne wie Sporen, die ihn antrieben. Sie stöhnte und keuchte.
    Keinen Augenblick ließ Josepha von Paul ab. Sie tat Dinge, die sie sonst nie getan hatte, und ihre zügellose Leidenschaft stachelte Paul immer wieder von neuem an. Endlich drehte er sich von Josepha weg, müde und erschöpft, schloß die Augen und fiel in tiefen Schlaf.
    Die junge Frau lauschte seinen regelmäßigen Atemzügen.
    „Die Nacht ist noch nicht um, mein Süßer“, flüsterte sie. „Der angenehme Teil ist für dich vorbei. Glaubtest du, Paul Warringer, du könntest deinem Schicksal entkommen?“
    Sie lachte. Ein böses, triumphierendes Lachen.
     

     

Der Mann ging durch den Ort, in dem er geboren und aufgewachsen war. Bis zu seinem dreiundzwanzigsten Lebensjahr hatte er hier gelebt, schwer gearbeitet, seine Äcker bestellt. Dann war er mit den Truppen des Landesfürsten gegen Friedrich V. gezogen. Er hatte unter Tilly 1620 bei Prag am Weißen Berg gekämpft, als sie den Regimentern des Kurfürsten von der Pfalz, des protestantischen Gegenkönigs Kaiser Rudolfs II., das Fürchten beibrachten.
    Fünf lange Jahre hatte der Mann im Böhmisch-Pfälzischen Krieg 1618-1632 unter den Fahnen des kaiserlichen Feldherrn Tilly gekämpft. Not und Tod, Blutvergießen und Elend, hatte er gesehen. Schwerverwundet kehrte er in die Heimat zurück, versuchte, in dem kleinen Ort die Schrecken des Krieges zu vergessen.
    Es gab schon wieder ernsthafte Unruhen. Der Dänenkönig Christian IV. wollte zusammen mit den Engländern und den Niederländern gegen die Truppen der Habsburger marschieren, so munkelte man. Doch der Mann hatte genug vom Krieg, genug vom Donner der Kanonen, dem wilden Geschrei der angreifenden Kavallerieregimenter, dem Krachen der Musketen und dem blutigen Handgemenge Mann gegen Mann. Er hatte Orden bekommen und Auszeichnungen, war lobend im Tagesbefehl erwähnt worden und hatte mehrmals mit Tilly selbst an der Tafel gesessen.
    Doch wog das die dunklen Stunden auf, die Alpträume in den Nächten, wenn er die blutigen Leichen der Kameraden sah, brennende Städte, geschändete Frauen und erschlagene Kinder? Viele suchten Vergessen im Suff, bei Weibern oder im Spiel. Doch ihm, dem Bauernsohn aus dem kleinen Dorf, war das ganze Kriegstreiben zuwider geworden.
    Er wollte wieder Bauer sein, in Frieden leben und sein Feld bestellen. So zog er den Rock des kaiserlichen Hauptmanns aus und kehrte zurück in sein Dorf. Mit der Zeit würden die Wunden heilen. Alles würde wieder sein wie früher. Doch er mußte erfahren, daß nichts wieder so wird, wie es war.
    Er war ein Fremder geworden in dem kleinen Dorf. Er paßte nicht mehr zu den Bauern. Ihre Ansichten erschienen ihm engstirnig und dumm. Zu den hohen Herrn wiederum, dem Abt des Klosters, dem Pfarrer, dem Lehrer, dem Richter, paßte er auch nicht, denn für die war er immer noch der Bauernsohn und Söldner. Der Graf im nahen Schloß nahm ihn gar nicht zur Kenntnis. In die Freie Reichsstadt Nürnberg wollte der frühere Söldnerhauptmann auch nicht, denn zu den Kaufleuten und Handwerkern paßte er erst recht nicht.
    Es würde ihm wohl nichts anderes übrigbleiben, als wieder in den Krieg zu ziehen oder auszuwandern, in ein fernes Land. Trotz des rauhen Söldnerhandwerks war der Mann ein Träumer geblieben. Er sah die Umwelt so, wie sie sein sollte, und er wollte nicht wahrhaben, daß die Welt seines Zeitalters in Europa aus Krieg, Hunger, Haß, Not und Elend bestand.
    Die Menschen in dem kleinen Ort musterten den Mann mit feindseligen Blicken, als er die Straße entlangging, zum Haus des Bürgermeisters. Der Bürgermeister unterstand dem Kloster, dessen Abt den Ort vom Grafen gekauft hatte. Die Männer und Frauen in dem kleinen Ort wußten alle, was der ‚Söldner’, wie sie ihn nannten, mit den im Haus des Bürgermeisters anwesenden hohen Herren zu besprechen hatte.
    Es gab nur ein Gesprächsthema seit der Hexenprobe am vergangenen Tag. Das Urteil war gesprochen: Tod durch das Schwert. Und der Söldner sollte es vollstrecken, denn er war der Henker. Oh, sie wußten alle, wie er es getrieben hatte mit der rothaarigen Hexe, daß er ihr mit Haut und Haaren verfallen war. Bei Tag und bei Nacht war er in dem kleinen Häuschen gewesen, das die Rothaarige seit dem Tod ihrer Mutter allein bewohnte.
    Wie die Mutter, so die Tochter. Vor fast vierundzwanzig

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