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054 - Josephas Henker

054 - Josephas Henker

Titel: 054 - Josephas Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Earl Warren
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Rothaarige eine schöne, heißblütige, junge Frau. Nur das zählte. Es war für beide selbstverständlich, daß er in dieser Nacht mit in das kleine Häuschen ging, für die erste Nacht von vielen.
    Bald schon wurde im Dorf offenbar, daß der Söldner und die Rothaarige ein Verhältnis hatten. Er kam jeden Abend zu ihr und ging erst bei Tagesanbruch.
    Die Weiber im Dorf hatten zu ratschen und zu tratschen. Die Wirtshausgespräche erfuhren eine neue Variante. Die jungen Burschen des Dorfes sahen den Söldner scheel an. Sogar der Abt ließ sich herab, ihm bei einem seiner seltenen Besuche im Kloster Vorhaltungen zu machen wegen seiner wilden Ehe. Den Söldner und die Rothaarige kümmerte es nicht. Sie hatten sich selbst, und das genügte ihnen.
    Die Rothaarige wurde ruhiger und häuslicher. Nur selten noch ritt sie auf ihrem Rappen aus. Ins Kloster ging sie gar nicht mehr. Die jungen Burschen des Dorfes übersah sie. Es hätte wohl nur noch der Ehering gefehlt, um sie zu einer normalen Ehefrau zu machen. Oder war da nicht noch etwas anderes?
    „Jede Nacht bin ich bei dir“, sagte der Söldner eines Tages, „aber in den Vollmondnächten schickst du mich weg. Warum?“
    „Frag mich nie danach“, sagte sie. „Nie, nie, nie.“ Dann, unvermittelt, begann sie zu schluchzen. „Ach, wenn du mich doch nur von hier wegbringen könntest. Irgendwohin, weit, weit weg. Wenn ich sie doch nur vergessen könnte, diese bleichen, schrecklichen Vollmondnächte und das, was sie in mir wecken. Ach, Albert, laß uns fortgehen von diesem Ort, wo die Vergangenheit uns unwiderruflich in vorbestimmte Wege zwingt.“
    „Ich hänge nicht an diesem Ort“, sagte der Söldner, „und außer dir habe ich niemanden, mit dem ich zusammenbleiben möchte. Wir können gehen, aber dazu brauchen wir Geld, denn alles in der Welt hat seinen Preis.“
    „Nein, laß uns nicht warten. Laß uns gleich gehen, noch vor der nächsten Vollmondnacht.“
    Doch davon wollte der Söldner nichts wissen. Er war ein methodischer und genauer Mensch. Wenn er für eine Frau zu sorgen hatte, dann brauchte er einen finanziellen Rückhalt, denn er wollte nicht mit ihr als Bettler umherziehen.
    Er wollte von der Rothaarigen einiges über die Vollmondnächte wissen, die sie so fürchtete. Doch sie schwieg beharrlich. So beharrlich, daß er fast ärgerlich wurde.
    Ihretwegen übernahm er einen Posten, vor dem ihm graute – den des Henkers. Die hohe kirchliche und weltliche Gerichtsbarkeit entlohnte den Mann gut, der die Delinquenten vom Leben zum Tode beförderte. Es war der einzige Weg für den Söldner, schnell und auf ehrliche Art und Weise das Geld zu verdienen, das er fürsein Fortgehen aus dem Dorf brauchte.
    Als er allerdings seinem Bruder Paul erzählte, daß er die Rothaarige heiraten wollte, stieß er auf krasses Mißverständnis. Der Söldner und sein älterer Bruder, mit dem gemeinsam er den Hof bewirtschaftete, hatten sich nie besonders gut verstanden. Der Ältere war nie aus dem verlassenen Winkel herausgekommen, in dem das Dorf lag. Es wäre ihm gar nicht unrecht gewesen, wenn der Jüngere irgendwo in Böhmen auf dem Schlachtfeld geblieben wäre. Dann hätte er den Hof für sich allein gehabt.
    „Bist du verrückt?“ schrie der Bruder. „Hat sie dich auch verhext? Weißt du nicht, daß sie eine Tochter des Satans ist, eine Hexe? In den hellen Vollmondnächten treibt sie im Hexenreigen Unzucht mit den Dämonen der Hölle, und sie beschwört Unheil und Böses. Sieh sie dir doch an, mit ihrem roten Haar und den grünen Augen. Sie ist eine Hexe!“
    Wortlos schlug der Söldner seinem ältesten Bruder die Faust auf den Mund, daß ihm die Oberlippe aufplatzte und er zwei Vorderzähne ausspie.
    Doch die giftige Saat keimte und ging auf. Es ließ dem Söldner keine Ruhe. In der nächsten Vollmondnacht wartete er verborgen vor dem Haus seiner Geliebten. Er sah sie im bleichen Licht des vollen Mondes auf ihrem Rappen aus der Stadt reiten.
    Der Söldner folgte der Rothaarigen auf seinem Pferd in einiger Entfernung. Am Waldrand band er das Pferd an. Er ahnte, nein, er kannte das Ziel seiner Geliebten. Die Waldwiese mußte es sein. Jene Wiese im dichten, dunklen, uralten Eichenwald, auf der der mächtige Findlingsblock aus grauer Vorzeit lag. Der altbekannte Treffpunkt, das verrufene Zentrum der bösen Mächte. Die Hexenwiese.
    Vorsichtig schlich der Söldner sich durch den Wald. Dornige Brombeerranken hielten seine Füße fest. Äste schlugen ihm ins Gesicht und

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