0540 - Der Vampir, die Mörderin und ich
gleich zurückkehren und auch den Blutsauger im Schlepptau haben.«
»Da sind Sie sicher?«
»Klar.«
Suko hob die Schultern. »Können wir uns den Drehort einmal anschauen?«
»Nein, das ist unmöglich!«
»Weshalb?«
»Sie würden nur stören.«
»Wir müssen einen Fall aufklären, Mr. Lester.«
»Der keiner ist, wahrscheinlich.«
Ich schüttelte den Kopf. »Klar, ich kann Sie verstehen, aber denken Sie an die drei Toten.«
»Die sind doch etwas anderes als ein Vampir. Das ist normal und…«
»Für uns sind drei Tote nicht normal«, erklärte ich, »obwohl wir einiges gewohnt sind.«
Er hob die Schultern. »Das war in London. Hier herrschen andere Gesetze. Hören sie. Es gibt hier keinen echten Vampir. Den hätten wir längst entdeckt.«
»Kommt darauf an, welche Pläne er hat?«
Lester mußte lachen. »Ein Vampir und Pläne? Das glauben Sie doch selbst nicht.«
Ich wußte auch nicht, wie wir ihn überzeugen sollten. Es war am besten, wenn wir uns das Verlies, in dem gedreht wurde, einmal persönlich anschauten.
Das sagte ich ihm auch.
Lester nickte. »Gut, Sie sehen, ich bin kooperativ. Aber erst, wenn wir mit der Szene fertig sind, bekommen Sie die Erlaubnis, in das Gewölbe hinabzusteigen.«
Suko schaute ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Glauben Sie vielleicht, wir würden ihre Erlaubnis abwarten, wenn es um Leben und Tod geht?«
Er senkte den Kopf. Seine Lippen zuckten dabei. Lester wagte es nicht, uns offen ins Gesicht zu schauen.
»Also, was ist nun?« fragte ich mit ziemlich scharfer Stimme.
»Ja, Sie Quälgeist.« Lester hob den Kopf und schaute auf seine Uhr. »Ich glaube, daß die Szene allmählich im Kasten ist. Deshalb können wir es versuchen, in das Gewölbe zu gehen. Kommen Sie mit, ich zeige Ihnen den Zugang.«
»Danke.«
Wir stiefelten hinter dem Regisseur her, der seinen Frust loswerden mußte und einige Mitarbeiter anschrie, daß sie sich bewegen und nicht herumstehen sollten.
»Sind Sie unseretwegen so nervös?« fragte Suko.
»Auch.«
»Und was ist der andere Grund?«
Lester blieb stehen. »Das kann ich Ihnen sagen. Eigentlich hätte die Berova schon zurück sein müssen.«
»Ist das die weibliche Hauptdarstellerin?« fragte ich.
»Genau.« Er hob beide Arme, als hätten wir ihm etwas getan.
»Jetzt sagen Sie nur nicht, es liegt an dem echten Vampir, den sie möglicherweise getroffen hat.«
»Wir denken es.«
»Quatsch.« Er ging weiter und übersprang die Reste einer Mauer.
Wir taten es ihm nach und landeten im hohen Gras, das mit Unkraut vermischt war und uns bis über die Schienbeine reichte.
Lester deutete schräg nach vorn. Unter niedrigen Bäumen breiteten sich die ersten Schatten aus. Die Sonne war ebenfalls verschwunden. Graue Wolken hatten eine lange Bank gebildet. Es war schwül geworden. Die Mücken flogen sehr tief und hielten sich geballt unter den Zweigen. Sie huschten auch an unseren Gesichtern vorbei oder kitzelten die Haut.
»Hier ist gleich der Einstieg«, erklärte er. »Wir haben ihn durch Zufall gefunden. Auch die Treppe, die in das Gewölbe führt. Es ist fast noch so erhalten wie früher. Selbst die hohen Säulen stehen noch. Eine Stätte des Schreckens.«
»Okay, das lieben wir.«
»Sie sind pervers.«
»Nein, Realisten«, sagte ich.
Lester ging vor. Er schlug noch einen kleinen Bogen, dann hatten wir das Ziel erreicht.
Aus dem Einstieg fiel künstliches Licht, wenn auch nicht in einer geballten Menge. Man hatte an bestimmten Stellen Scheinwerfer aufgebaut, die eine nach unten führende Treppe so ausleuchteten, daß die unheimliche Atmosphäre geblieben war. Also nicht zuviel Licht.
Die Stufen bestanden aus Stein, waren ziemlich breit und führten in die Tiefe eines Ganges hinein, der von hohen Säulen abgestützt wurde.
»Hier verfilmen wir die Geschichte des Blutsaugers Horatio Rubicus, der es schafft, die Insassen eines alten Klosters unter seine Knute zu bekommen.«
»Wie geht die Sache aus?«
»Bei uns im Film gut. Ich sage ihnen…« Was er sagen wollte, darüber schwieg er sich aus, denn nicht nur Lester hatte die weibliche Gestalt am Ende der Treppe entdeckt, die dabei war, die Stufen hochzusteigen. Eine dunkelhaarige Frau in einem langen Kleid.
»Das ist Edda!« Er schaute uns an und lachte. »Sehen Sie vielleicht einen Vampir?«
»Nein.«
»Na bitte?«
»Und wo steckt Ihr Kameramann?« fragte Suko.
Da hatte er bei Lester einen schwachen Punkt erwischt. Der Regisseur wurde bleich. »Nun«, sagte er und
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